Kommentar zu Großprojekten: Die neue Macht der Bürger
Das Planen und Bauen in Berlin und anderswo ist aufwendiger geworden – und die Bürger haben mehr Einfluss darauf als je zuvor.
A uf den ersten Blick sieht es aus, als würden die Berliner Prestigeprojekte derzeit kippen wie Dominosteine. Erst crasht der Start von BER – und mit ihm der Regierende Bürgermeister in den Umfragewerten. Dann zieht der Bausenator die Notbremse für die Internationale Gartenausstellung in Tempelhof. Und nun lässt der ThyssenKrupp-Konzern mitteilen, dass er seine umstrittene Konzernzentrale zwischen Staatsratsgebäude und Humbodt-Forum nicht baut. Das Grundstück wird nun in die Freiraumplanung für das neue Schloss einbezogen.
Sonderfall Mauerpark
Drei Projekte sind das, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch eines gemeinsam haben: Das Planen und Bauen in Berlin und anderswo ist aufwendiger geworden – und die Bürger haben mehr Macht als je zuvor. Selbst den Flughafenbauern, die zunächst am Brandschutz scheiterten, beschied das OVG in Leipzig am Mittwoch, dass Großprojekte mit dem bisherigen Minimum an Bürgerbeteiligung künftig nicht mehr genehmigungsfähig seien.
Allerdings klaffen zwischen Anspruch und Realität noch Lücken. Von der IGA zog sich der Senat zurück, weil Tempelhof inzwischen zum Volkspark wurde – auch ohne Tulpenfelder. Da ging man dem Volkszorn schon vorher aus dem Weg. Am Schlossplatz konnten sich die Denkmalschützer durchsetzen, weil die „historische Mitte“ seit Langem im Fokus der Öffentlichkeit steht.
Wirklich durchgesetzt haben aber wird sich die Macht der Bürger erst, wenn auch die Bezirke begreifen, dass Bürgerbeteiligung von der Stange passé ist. Mitte versucht gerade, am Mauerpark Fakten gegen den Bürgerwillen zu schaffen. Hier könnte es also bald heißen: Bauzaunspaziergänge, Protestcamps, Bürgerbegehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!