Entscheidung über Mauerpark: Ein Park wird zugemauert
Heute soll die BVV Mitte einen Beschluss abnicken. Er lässt auf Teilen der geplanten Mauerpark-Erweiterung dichte Bebauung zu - und schränkt die Beteiligung der Bürger ein.
Für das Sommerloch war der Mauerpark dann doch eine Nummer zu groß. Eigentlich wollte Carsten Spallek (CDU), Stadtrat für Stadtentwicklung in Mitte, den Beschluss seines Bezirksamts zur Erweiterung des Parks darin versenken. Doch statt das leidige Thema still und heimlich zu entsorgen, hat er nun einen maximalen Aufschrei provoziert.
Was ist passiert? Im April hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte einen Plan verabschiedet, wie der Mauerpark nach 20 Jahren Diskussion doch noch erweitert werden könnte. Notwendig ist das, weil die Allianz Umweltstiftung sonst 2,3 Millionen Euro zurückfordert – mit denen hatte sie Anfang der 90er Jahre die Anlage des heutigen Parks finanziert. Zwei Hektar muss dieser bis Ende des Jahres wachsen, sonst wird es teuer.
Die Lösung der BVV Mitte sah vor, dass das Land Berlin einige Hektar des Areals westlich des bestehenden Mauerparks kauft. Ein Teil davon sollte zum Park umgewandelt, ein anderer an Gewerbetreibende wie den Flohmarkt verpachtet werden. Die CA Immo, bisherige Eigentümerin des Gesamtfläche, sollte dafür das Recht erhalten, ein weiteres Teilstück behutsam zu bebauen. Viel Grün, ein paar genossenschaftliche Wohnungen – so hatte sich die BVV das gedacht und ging in die Sommerpause.
Der Park: Der Mauerpark entstand vor zwanzig Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Todesstreifens an der Grenze zwischen Wedding und Prenzlauer Berg. Acht Hektar ist er derzeit groß; der baumlose Süden dient vor allem als Eventfläche für Griller, Musikanten und Kleinkünstler - während sich im ruhigeren Norden die Anwohnern zum Lesen, Biertrinken oder zum Feiern von Kindergeburtstagen treffen.
Das Doppelleben: Während es unter der Woche verhältnismäßig ruhig zugeht, stürmen den Park samstags und sonntags Besucher aus der ganzen Welt. Bis zu 50.000 Menschen sollen es an den Wochenenden sein, hat die Polizei vergangenes Jahr gezählt.
Der Spaßfaktor: Der ist riesig - zumindest, wenn man gerne unter Leuten ist. Also unter richtig vielen Leuten.
Der Erholungsfaktor: Je größer der Spaßfaktor, desto kleiner der Erholungsfaktor. Wer seine Ruhe haben will, versucht es am besten im nördlichen Teil - Montag morgens so zwischen sechs und sieben Uhr. (wie)
Darin jedoch wurde sie Ende Juni unsanft von einem Beschluss des Bezirksamts gestört: Zwar soll der Park weiterhin mindestens zwei Hektar größer werden, um das Ultimatum der Umweltstiftung einzuhalten. Von Ankäufen durch den Senat war jedoch plötzlich keine Rede mehr, dafür von 600 Wohnungen auf 3,5 Hektar Fläche nördlich der Gleimstraße – viel zu viel nach der aktuellen Rechtslage. Und die „Bürgerwerkstatt Mauerpark Fertigstellen“, ein seit Jahren bewährtes Instrument der Bürgerbeteiligung, soll sich aus der Gestaltung des neuen Wohngebiets heraushalten.
Die BVV hatte es sich ausdrücklich anders gewünscht. Heute aber soll sie in ihrer ersten Tagung nach der Pause den Beschluss des Amts durchwinken. Und weil die Mehrheitsfraktionen SPD und CDU ihre Verordneten entsprechend auf Kurs gebracht haben, wird sie das voraussichtlich auch tun.
Außerhalb des Bezirksparlaments hat sich jedoch eine breite Front des Widerstands gebildet. Das „Bündnis für den Mauerpark“, zu dem die Bürgerwerkstatt, weitere Vereine und Parteien aus Mitte und Pankow gehören, fordert die Aufhebung des Bezirksamtsbeschlusses und die Fortsetzung der Bürgerbeteiligung. Zudem bittet es die Umweltstiftung um einen Aufschub ihres Ultimatums. „Der derzeit angesetzte Zeitplan kann zu kostspieligen Planungsfehlern und hohen Schadensersatzforderungen führen“, so das Bündnis.
Grund für diese Sorge sind Ungereimtheiten im Bezirksamtsbeschluss. Neben dem rechtswidrigen Bauvolumen, gegen das auch geklagt werden könnte, scheint auch die Baustellenerschließung problematisch. Einiges deutet darauf hin, dass diese von Prenzlauer Berg aus über das Gelände des seit Jahren bestehenden Kinderbauernhofs erfolgen müsste. Dagegen gibt es schon massive Proteste.
Saftige Entschädigung?
Zudem sind Details aus dem städtebaulichen Vertrag zwischen dem Bezirk Mitte, Senat und CA Immo durchgesickert. Der CA Immo soll angeblich eine saftige Entschädigung zustehen, falls sie doch kein Baurecht in der anvisierten Größenordnung bekommen sollte. Eine gewagte Angelegenheit angesichts der Rechtslage und der Tatsache, dass ein entsprechender Bebauungsplan erst aufgestellt muss.
Stadtrat Spallek kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Zwar widerspreche das geplante Bauvolumen tatsächlich dem aktuellen Recht, derzeit jedoch werde in Mitte an vielen Stellen viel dichter gebaut als erlaubt, so Spallek. Zur Frage der Baustellenerschließung meint er nur: „Die wird über Wedding erfolgen.“ Bedenken, dass die von ihm angedachte Zufahrt am Gleimtunnel für Baustellenfahrzeuge ungeeignet sein könnte, teilt er nicht. Und auch die Kritik, das Bezirksamt habe mit seinem Beschluss die Wünsche der eigenen BVV übergangen, wischt er mit dem Hinweis auf Zeitprobleme vor der Sommerpause vom Tisch. „Immerhin wird der Park so überhaupt erweitert“, findet der Stadtrat. „Das ist doch ein Erfolg.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen