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Kommentar zu Erdogans USA-BesuchIm Regen stehen gelassen

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der türkische Ministerpräsident drängt auf militärisches Eingreifen in Syrien. Doch Barack Obama will keine neuen roten Linien.

E s gibt keine Zauberformel für Syrien, beschied Obama dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan bei dessen Besuch in den USA und ließ ihn damit im Washingtoner Regen stehen. Obama fordert Geduld, wo Erdogan längst die Zeit ausgeht. Während der US-Präsident durch den Krieg in Syrien zunächst nur mittelbar betroffen ist, steckt Erdogan mitten drin. Der verheerende Bombenanschlag in der Grenzstadt Reyhanli, bei dem am letzten Samstag über 50 Menschen starben, war nur das letzte eindringliche Zeichen, dass der syrische Krieg auch in der Türkei angekommen ist.

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass Erdogan mit seiner Syrienpolitik gescheitert ist. Sicher, die Türkei hat anders als die USA eine 900 Kilometer lange Grenze mit Syrien und konnte sich deshalb nur schwer aus dem Konflikt heraushalten. Doch Erdogan hat sich offensichtlich übernommen.

Schon vor über einem Jahr hat die türkische Regierung den Weg der Vermittlung aufgegeben und stattdessen eindeutig gegen das Assad Regime Stellung bezogen. Die Erwartung in Ankara war, dass man Assad mit starker Rhetorik und einer massiven Unterstützung der mehrheitlich sunnitischen, von den Muslimbrüdern dominierten Opposition, zum schnellen Abgang zwingen könnte.

taz
Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Doch Assad denkt nach wie vor nicht an Rückzug, im Gegenteil: Nach einer Phase des Rückzugs sind die Truppen des Regimes im Moment eher wieder auf dem Vormarsch. Statt Assad verlassen immer mehr syrische Flüchtlinge das Land. Fast eine halbe Million Syrer sind bereits in der ganzen Türkei verteilt, sie werden zusehens zu einer innenpolitischen Belastung für Erdogan.

Der türkische Ministerpräsident sucht deshalb nach einem Befreiungsschlag. Doch Obama denkt nicht daran, sich mit den Türken in ein militärisches Abenteuer in Syrien zu stürzen. Obama will verhandeln, gemeinsam mit Putin und zur Not auch mit Assad. Erdogan wollte zumindest die Zusicherung, dass diese Verhandlungen bis Ende Juni zeitlich befristet werden. Durchgesetzt hat er sich damit nicht. Der Traum von der türkischen Großmacht im Nahen Osten verwandelt sich für Erdogan immer mehr in einen syrischen Alptraum.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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5 Kommentare

 / 
  • D
    D.J. (P.S.)

    P.S.: Dass Sie mich recht verstehen. Die bisherige Syrienpolitik des Westens halte ich ebenfalls für verbrecherisch und dazu noch für unfassbar dumm.

  • D
    D.J.

    @Hüseyin Akdag,

     

    ich vermute, Sie kennen die Erdogan-Zitate wie "Europa mit dem Islam impfen" oder den Verweis darauf, 2071 die Ernte einfahren zu wollen (1000 Jahre Schlacht von Manzikert). Dieser Mann ist gefährlich - wie stets die Mischung aus Nationalismus und Religion. Bedauerlicherweise ist die säkulare Opposition noch weit nationalistischer (CHP), von der faschistischen MHP ganz zu schweigen.

    Und die NSU-Morde zu benutzen, um die Kritik an religiösen Terrorbanden, die Zehntausende Opfer zu verantworten haben, zu unterbinden, finde ich äußerst geschmacklos. Wenn schon AKP-Propaganda, dann bitte auf etws höherem Niveau. Danke.

  • HA
    Hüseyin Akdag

    Lieber Herbert, nicht ein islamische Großtürkei, sondern die Weltherrschaft will Erdogan. Mal ganz ehrlich, glaube Sie selber was da geschrieben haben. Erdogan hat das einzig richtige getan, erst hat auf Diplomatischem Weg versucht, dann an den Vernunft von Assad appelliert und schlussendlich nach dem 2 Bombenanschlag musste Erdogan konsequenzen ziehen. Ich will Sie an den Berater vom französischen Präsidenten Hollande erinnern, der war von anfang an für ein Militärisches Intervention. Nach der Meinung des Beraters wäre es ein kinderspiel Assad zu entmachten. Allerdings hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, Assad ist nicht alleine auch er hat Rückendeckung. Sie reden von Vollbartkämpfer, ich will Sie an die NSU-Morde,...usw erinnern. Das waren keine Vollbartkämpfer sondern eher arische Todesschwadronen. Also ich würde doch vorschlagen, dass Sie erst mal vor der eigenen Haustüre schauen. Bevor Sie so etwas von sich geben.

  • H
    Herbert

    Erdogan hat sich mit seinem Traum von einer islamischen Großtürkei ganz eindeutig verzockt und in eien Sackgasse manövriert. Sein Versuch, die NATO in den Syrienkrieg hineinzuziehen, hat zum Glück nicht geklappt.

    Erdogan könnte für das syrische Volk etwas Gutes tun:

    Die über die Türkei eindringenden islamistischen kämpfer zu stoppen und dem syrischen Staat die Möglichkeit zu geben, Syrien zu verteidigen. Ein weiteres vordringen der islamistischen Rebellen wäre auch eine Gefahr für uns in Europa. Wer sagt uns, dass die Vollbartkämpfer ihren Kampf gegen die Ungläubigen nicht auch nach Europa tragen?

  • A
    autocrator

    der bürgerkrieg in Syrien muss aus humanitären gründen schnellstmöglich beendet werden. Eines ist klar geworden: Assad wird nicht freiwillig gehen. Die zeit des verhandelns ist vorbei. Erdogan könnte den NATO-bündnisfall erklären. Er braucht die internationale unterstützung - nicht gegen Syrien, sondern um sein gerade entmachtetes eigenes militär im zaum zu halten. Auch dieses ist für westliche demokratien höchst wünschenswert.