Kommentar von Stefan Alberti über Rücktritt-Twitterei aus der SPD: Grüner Senator underfriendly fire
Stefan Alberti
ist Redakteur für Landespolitik
Friendly fire heißt es im Englischen, wenn einen die eigenen Leute unter Beschuss nehmen. Was aber beim Militär meist ungewollt passiert – eine Folge fehlerhafter Kommunikation oder falscher Berechnungen –, ist in der Politik pure Absicht. Ganz freundschaftlich also hat der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck jetzt Justizsenator Dirk Behrendt vom grünen Koalitionspartner wegen der Ausbruchsserie in Plötzensee kritisiert. Das allein wäre nicht so schlimm, wäre Langenbrinck nicht noch weiter gegangen. „Das wäre eigentlich ein Rücktrittsgrund für einen Justizsenator“, hat er getwittert. Und das geht nicht, wenn man auch nur ein bisschen Interesse an Koalitionsfrieden hat.
Gut möglich, dass sich Langenbrinck schon länger über Behrendt geärgert hat, dem nicht nur die CDU vorwirft, er vernachlässige die Justiz und widme sich lieber Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, den anderen Bereichen seines Ressorts. Ob das so ist, bleibt aber offen, weil Langenbrinck sich auf Nachfragen zu seiner Twitterei nicht äußern wollte.
Natürlich müssen auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen Senatsmitglieder kritisieren können. Aber das geht auch anders. Da gibt es Eskalationsstufen, an deren Ende und vor allem erst nach Klärung der Sachlage der Begriff „Rücktritt“ steht. Rot-Rot-Grün hat auch ein Jahr nach dem Zoff um Stasi-Staatssekretär Holm zum Beispiel mit den Themen Wohnungsbau und Videoüberwachung sowie noch genug andere Streitpunkte.
Langenbrinck hatte schon in der vergangenen Wahlperiode mit Kritik am eigenen Lager für Aufsehen gesorgt. Nach der Wahlschlappe der SPD 2016 warf ihm Bildungsstaatssekretär und SPD-Vordenker Mark Rackles vor, er habe sich mit parlamentarischen Anfragen auf Kosten des Senats und der SPD-geführten Bildungsverwaltung profilieren wollen. „Ich lasse mir keinen Maulkorb verpassen“, reagierte Langenbrinck damals in der taz darauf. Was er jetzt erneut bewiesen hat.
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