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Angela Merkels Kritik an Friedrich MerzAus der Seele gesprochen

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die scharfe Kritik der Ex-Kanzlerin am Kanzlerkandidaten ihrer Partei ist hart, aber richtig. Derweil ist Merz’ Rechtsruck für SPD, Grüne und Linke eine Chance.

Oma gegen Rechts: Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D Foto: Dominik Butzmann/imago

M an sollte mit dem Wort „historisch“ vorsichtig umgehen. Aber dieser Vorgang ist es. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kritisiert eine ehemalige Kanzlerin und Parteichefin mitten im Wahlkampf öffentlich den Kanzlerkandidaten der eigenen Partei.

Ja, mehr noch, Angela Merkel nennt das Verhalten ihres Nachfolgers Friedrich Merz eindeutig „falsch“ und wirft ihm vor, keine staatspolitische Verantwortung gezeigt zu haben, als er seinen Anti-Asyl-Antrag im Bundestag zusammen mit der AfD durchsetzte. Damit verstößt Merkel ganz bewusst gegen eine ungeschriebene Regel, die einen Markenkern der CDU ausmacht: auch im Zweifel immer brav dem jeweils amtierenden Chef zu folgen.

Diese eiserne Geschlossenheit um jeden Preis war immer der große Vorteil der Machtmaschine CDU gegenüber den linkeren Parteien, die sich regelmäßig öffentlich zerstreiten oder gar aufspalten. Auch Merkel selbst hat als Kanzlerin von der bedingungslosen Loyalität der CDU zur aktuellen Führung profitiert. Sehr viele konservative Christdemokraten trugen ihren Kurs nur widerwillig, aber bei allen wichtigen Abstimmungen bis zum Schluss geschlossen mit.

Für den rechten Flügel der Union war und ist Merz ein Erlöser, gerade weil er eine radikale Abkehr von Merkels liberaler Politik versprach. Genau deshalb wurde er ja gewählt. Die härtesten Merz-Hardliner werden nun auch Merkels Kritik als Bestätigung empfinden. Und doch spüren alle, wie gefährlich der offene Konflikt zwischen der Ex-Kanzlerin und dem Kandidaten für die Union im Wahlkampf ist.

taz-Titelseite vom 31. Januar 2025 Illustration: taz

Nicht nur dem liberalen Flügel, sondern auch vielen potenziellen CDU-WählerInnen dürfte Merkel aus der Seele gesprochen haben. Ihre drastische Intervention war für alle wertgebundenen (Christ-)Demokraten berechtigt und geboten, weil auch Merz gegen einen zentralen Markenkern der CDU verstoßen hat: die klare Abgrenzung gegen Rechtsextremisten.

Dass Merz erstmals wissentlich einen Abstimmungserfolg der AfD im Bundestag ermöglicht hat, war ein historischer Fehler und macht die Brandmauer unglaubwürdig. Das ist für viele zu Recht unverzeihlich und es ist gut, dass es Merkel offen ausgesprochen hat.

Für SPD, Grüne und Linke ist Merz’ Rechtsruck eine Chance. Die Angst vor einer schwarz-braunen Koalition könnte lethargische WählerInnen neu mobilisieren und Liberale von der Merz-CDU abschrecken. Das wäre schön, birgt aber auch ein Risiko. Wenn die Union jetzt wirklich deutlich verliert, ergibt sich eine neue Gefahr: dass die AfD stärkste Partei wird und Koalitionen gegen sie noch komplizierter werden. Das aber wäre nicht die Schuld von Merkel, sondern die von Merz.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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2 Kommentare

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  • Merz wurde mittlerweile auch von Chrupalla kritisiert, man könne sich nicht auf ihn verlassen. Kann es sein, dass er das Eigentor des Jahres geschossen hat?

  • „Eiserne Geschlossenheit“ der Machtmaschine CDU - dieses



    Bild stimmt so nicht, siehe Rücktritt Kramp-Karrenbauer in 2022.