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Kommentar von Kaija Kutter zum Heim-KonzeptMissbrauch Tür und Tor geöffnet

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Das Vorhalten von Fesseln in einem Jugendheim stattet die Erzieher mit einer zu hohen Machtposition aus.

Nichts für Kinder: geschlossene Heim. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

S ind doch nur Klettbänder, keine fiesen Handschellen. Das klingt nach Freizeitsport, nicht nach Knast. Na, und wenn dann ein Junge einen Erzieher mit dem Kugelschreiber angreift – wie im PUA-Bericht in einem Fall beschrieben – ist es nicht besser, ihn zu „fixieren“, bis er sich beruhigt?

Nein, ist es nicht. Das Vorhalten von Fesselbändern in einem Jugendheim stattet die Erzieher mit einer zu hohen Machtposition aus. Gefesselt werden ist entwürdigend, nicht nur beim Ausflug in der Öffentlichkeit, sondern auch und gerade in den vier Wänden einer Einrichtung. Wer sagt denn, dass der Junge mit dem Kugelschreiber angriff? Vielleicht hielt er ihn nur in der Hand. Beweisen könnte er das später nie.

Gewalt und körperlichen Zwang ausüben mit Fesseln, das dürfen Eltern nicht. Und auch Betreuer dürfen nur im Rahmen der Nothilfe – wie jeder andere Mensch auch – Gefahren abwehren. Also kurz festhalten ja, fesseln und fixieren nein.

Ein geschlossenes Heim ist eine totale Institution, die künstlich eine Situation schafft, in der Stress und Gewalt kumulieren. Deshalb schafft man besser erst gar nicht so eine Einrichtung. Seit Schließung der Haasenburg-Heime hat Hamburg individuelle Alternativen entwickelt. Erst Recht für unbegleitete junge Flüchtlinge ist die neue „Burg“ nicht das Richtige.

Wenn nun die beiden rot-grünen Stadtstaaten stur bei ihrem Plan bleiben, weil sie dies im Wahlkampf versprachen, heißt es für die Kritiker akribisch genau zu gucken, was da geplant ist.

Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung des Erziehungsrechtes kann es nicht geben, weil Gewalt verboten ist. Eltern im 21. Jahrhundert müssen sich mit ihren Kindern verständigen. Und Kinder und Jugendliche sind keine Maschinen, ihr Verhalten keine chemische Verbindung, die man neutralisieren sollte.

Es sind ja nicht nur die geschlossenen Heime, auch andere Heime arbeiten mit Time-Out-Räumen und repressiven Methoden. Kritikern der geschlossenen Heime wird stets vorgeworfen, sie seien ideologisch verbohrt. Die Diskussion jüngster Zeit, in der auch die Jugendlichen eine Stimme bekamen, zeigt, es ist umgekehrt: Ganz offenbar müssen die Verantwortlichen in den Fachbehörden ideologischen Ballast einer repressiven Pädagogik über Bord werfen.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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1 Kommentar

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  • Der Schoß ist verdammt fruchtbar noch, aus dem die ganze repressive Erziehung kroch. Die Tradition von DDR-Jugendwerkhof, Haasenburg, Friesenhof usw. lebt fröhlich weiter, wie man in jedem Artikel dazu sieht.

     

    Diese Ideologie wird sich kaum so schnell ändern. Schnelle Hilfe brauchen aber sicher diejenigen, die sie erleiden müssen. Deshalb noch einmal die Frage:

     

    Was passiert mit den Kindern/Jugendlichen, die das durchmachen müssen? Gibt es evtl. jemanden, DER SIE HINTERHER AUFFÄNGT, IHNEN BEISTAND GEWÄHRT? Könnte/muss man so etwas nicht systematisch anbieten/fördern/vorschreiben, denn Fakt ist offenbar, dass diese Repression einfach stattfinden und immer weitergehen wird.