Kommentar von Fabian Kretschmer über den Nordkorea-USA-Gipfel: Zweifelhafter Blitzfrieden
Eines jener Fernsehbilder, das vom historischen Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un im Gedächtnis bleiben wird: Als die beiden zur Unterzeichnung der gemeinsamen Stellungnahme antreten, werden sie im Hintergrund von einem guten Dutzend Flaggen eingerahmt – US-amerikanischen und nordkoreanischen Fahnen im Wechsel. Dies ist ein erstaunlicher Anblick, schließlich unterhält Washington mit Pjöngjang keinerlei diplomatische Beziehungen. „Gegner können Freunde werden“, sagte Trump dann auch noch.
Nach einem ersten Beschnuppern beim Fototermin war schon bald klar, dass die zwei Alphamänner sich riechen können: Das signalisierten nicht zuletzt die herzliche Körpersprache und das ständige Lächeln der beiden.
Küchenpsychologen könnten zudem argumentieren, dass beide Politiker grundlegende biografische Parallelen vorweisen: Als Zweitgeborene waren sie zunächst nicht für die Erbfolge des väterlichen Imperiums vorgesehen. Trump musste sich im harten Immobiliengeschäft New Yorks durchschlagen, Kim Jong Un unter doppelt so alten Parteikadern in Pjöngjang. Ebenso teilen sie eine Kindheit im materiellen Überfluss.
Die gute Chemie hat sich allerdings nur mäßig auf die Resultate des Gipfels ausgewirkt: Die gemeinsame Stellungnahme fiel mit vier Hauptpunkten relativ knapp und vor allem vage aus. Dass Pjöngjang auf eine „vollständige Denuklearisierung hinarbeitet“, kommt keinem konkreten Maßnahmenplan gleich. Auch die anderen Punkte wurden in vorigen Verabredungen schon einmal so festgehalten. Berücksichtigt man jedoch, dass sich Trump und Kim noch vor wenigen Monaten mit Krieg drohten, ist der Gipfel dennoch mehr als erstaunlich.
Als wesentlich spannender entpuppte sich die einstündige Pressekonferenz im Anschluss: Klar rutschte Trump passagenweise in selbstverliebte Tautologien und inkohärente Phrasendrescherei ab. Das dürften vor allem die leidgeprüften Washington-Korrespondenten bereits gewöhnt sein. Zwischendurch jedoch präsentierte er überraschende und klare Zugeständnisse: dass er etwa die gemeinsamen „Kriegsspiele“ – gemeint sind die US-südkoreanischen Militärübungen – einstellen werde, solange die Gespräche mit Kim Jong Un anhalten. Dies ist ein weiterer Anreiz dafür, dass der Kommunikationsprozess tatsächlich nicht abreißt. Kim hingegen wird eine weitere Raketentestanlage schließen.
Dass die Nuklearfrage nicht in einem eintägigen Gipfeltreffen gelöst werden kann, war schon im Vorhinein klar. Allerdings bleibt ein Wermutstropfen: Ein Ende des Koreakriegs hätten beide Seiten durchaus verkünden können. Dieses Ziel haben sie jedoch nur in Aussicht gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen