Kommentar von Daniél Kretschmarüber den Tarifstreit an der HU: Nichts als gutsherrliche Bockigkeit
Daniél Kretschmar
ist Chef vom Dienst
bei taz.de.
Es kommt immer wieder vor, dass Angestellte, die auf ihrem Recht beharren, die Tariflöhne einfordern, betriebliche Mitbestimmung gar, einfach vor die Tür gesetzt werden. Was das turbokapitalistische Versuchslabor Ryanair mit der angedrohten Schließung eines ganzen aufmüpfigen Standorts in Bremen vormacht, findet seine Entsprechung gerade im rot-rot-grün regierten Berlin in einem Landesbetrieb, der Humboldt-Universität.
Untertariflich beschäftigte Studierende in nichtwissenschaftlichen Tätigkeiten werden nach Protesten der Arbeitnehmervertretung nicht in reguläre Arbeitsverhältnisse überführt. Nein, ihre Stellen werden ganz einfach gestrichen. Nicht nur Existenzen werden von der Uni-Leitung hier aufs Spiel gesetzt, nein, aus gutsherrlicher Bockigkeit heraus nimmt man in Kauf, dass auch der Regelbetrieb etwa der Bibliotheken empfindlich eingeschränkt wird. „Das habt ihr nun davon!“, sagt HU-Präsidentin Sabine Kunst, die auch SPD-Mitglied ist.
Während die Humboldt-Uni also stolz 8.400 Erstsemester begrüßt, versteigt sie sich gleichzeitig in einen arbeitnehmerfeindlichen Kleinkrieg, der prompt zum Semesterbeginn die Studienbedingungen verschlechtert.
Einen gesichtswahrenden Ausweg lässt sie sich nicht offen. Die Studierenden, die schon jahrelang um den Tarifvertrag für ihre regulären Arbeitsverhältnisse kämpfen mussten, sollen zu Kreuze kriechen und dankbar die vom herrschaftlichen Tisch fallenden Brosamen annehmen. Wie das praktisch funktionieren soll, jetzt, wo alle Beteiligten offenbar anerkennen, dass die bisherigen Beschäftigungsverhältnisse arbeitsrechtlich zweifelhaft waren, ist unklar. Es gibt keinen Lösungsvorschlag von der Uni. Hauptsache, das Exempel ist statuiert.
Eine Frage politischer Prioritäten
Es ist an der Zeit, dass Koalition und Wissenschaftsverwaltung diesen Angriff auf Arbeitnehmerrechte beenden. Das ist eine Frage politischer Prioritäten, des Stils und der Glaubwürdigkeit. Schließlich ist die Beendigung von Tarifflucht in den Landesbetrieben erklärtes Ziel der rot-rot-grünen Landesregierung. Die wiederholte Verletzung dieses Prinzips und die geradezu feudale Machtdemonstration in einem der größten Landesunternehmen einfach so laufen zu lassen wirft die ArbeitnehmerInnen in die prekäre Lage zurück, sich entweder zu beugen, zu gehen oder ihr Recht individuell vor den Arbeitsgerichten einklagen zu müssen. Für diese Arten der Konfliktlösung ist es allerdings gleichgültig, welche Farben der Berliner Senat trägt.
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