Kommentar von Barbara Oertel zum Verfassungsreferendum in Russland: Und immer wieder Putin
Auf die russischen Wählerinnen und Wähler ist Verlass: Bei der „Volksabstimmung“ über die sogenannte Verfassungsreform, die schon längst eingetütet war, sind 65 Prozent an die Urnen gegangen. Knapp 78 Prozent haben mit Ja gestimmt. Angeblich.
Präsident Wladimir Putin kann zufrieden sein, das Klassenziel ist erreicht. Sollte er denn erneut antreten, woran kein Zweifel besteht, ist sein Arbeitsplatz im Kreml bis 2036 gesichert. Damit würde er – außer im Falle vorzeitigen Ablebens – sogar den dienstältesten Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, toppen. Der brachte es vergleichsweise nur auf 18 Jahre an der Staatsspitze der Sowjetunion, bevor er, mit den Füßen voraus, aus dem Moskauer Regierungssitz getragen werden musste.
Dass die Verantwortlichen bei der Auszählung kreativ zu Werke gingen, ist dabei kaum noch der Rede wert. Das ist in Russland ohnehin seit jeher Business as usual. Aufschlussreich hingegen ist die schrille Begleitmusik zu dem einwöchigen Abtimmungsmarathon, das nichts anderes als eine Alibiveranstaltung war.
Auch diesmal wurden die Wählerinnen und Wähler wieder in bewährter Manier unter Druck gesetzt. Sei es bei der Stimmabgabe zu Hause unter fachkundiger Anleitung oder durch instruierte Betriebsleitungen, die ihren Belegschaften im Falle von Verweigerung mit Konsequenzen drohten.
Dass dem Kreml die nackte Angst im Nacken sitzt, macht auch der Umstand deutlich, dass eine Demonstration einiger Hundert Putin-Gegner am Mittwochabend in Moskau von Sicherheitskräften kurzerhand abgeräumt wurde.
Doch noch ein weiteres Detail verdient Beachtung. Als Dmitri Medwedew Putin 2008 als Präsidenten ablöste, um damit den Weg für dessen Wiederwahl vier Jahre später zu ebnen, versuchte das Regime zumindest noch, die Verfassung ein- und damit eine demokratische Fassade aufrechtzuerhalten. Doch mit diesen Bemühungen ist es offensichtlich vorbei. Augen zu und durch, heißt jetzt die Devise. Unverblümter kann man seine Verachtung gegenüber dem Wahlvolk kaum ausdrücken.
Diejenigen, die unter dem ewigen Putin für sich keine Perspektive sehen, werden ihre Schlüsse aus den jüngsten Ereignissen ziehen. Wer kann, sucht das Weite. Dieser Trend dürfte sich jetzt weiter verstärken. Damit ist beileibe kein Staat zu machen.
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