Kommentar (vgl. Seite 28): Heuchelei
■ Kirche soll sich von Opfern abwenden
Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck hat wie kaum eine andere Bremerin sich für die Opfer der großserbischen Machtpolitik eingesetzt. Sie hat jahrelang Hilfe für die bosnische Bevölkerung organisiert und sich mit dem Elend der Menschen konfrontiert, deren Angehörige in Srebrenica praktisch unter der Aufsicht der Uno-Schutztruppen ermordet wurden. Sie ist, als die Massenvertreibung der Kosovo-Albaner begann, in eines der Flüchtlingslager gefahren und völlig verstört von dem, was sie da erlebt hat, zurückgekommen. Wenn jemand in Bremen kompetent ist und legitimiert, über das menschliche Elend dort zu reden, dann sie.
Nun wird ihr vorgehalten, daß sie ratlos ist, wie man den Mörderbanden des Milosevic Einhalt gebieten könnte und deshalb die Nato-Bombardierungen als ultima ratio sieht, den serbischen Machtapparat zu brechen. Die kriminelle Energie des Milosevic-Regimes geht so weit, daß er auch nach zwei Monaten Nato-Bomben nicht bereit ist, den Befehl zum Rückzug seiner Sonderpolizei zu geben.
Man kann der Ansicht sein, daß die Nato sich da hätte heraushalten sollen, und daß es besser gewesen wäre, das Elend der Kosovo-Albaner in Kauf zu nehmen. Aber warum sollte die Kirche sich von diesem Elend abwenden? Wenn ausgerechnet alte ideologische Weggefährten des „realen Sozialismus“ das von der Kirche verlangen, dann ist das schlimme Heuchelei. Klaus Wolschner
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