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Kommentar soziale UnruhenDer deutsche Revoluzzer

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Die Bundesregierung sollte Lasten auf die Schultern derer legen, die von den Ursachen dieser Krise profitieren. Tut sie es nicht, wird es auch hierzulande mit dem sozialen Frieden vorbei sein.

Die deutsche Protestkultur wird gerne mit dem Sprichwort bedacht: Bevor ein deutscher Revolutionär den Bahnhof besetzt, kauft er sich eine Fahrkarte. Nun stürzt auch hierzulande die Wirtschaft dramatisch ab - von Minus 6 Prozent gehen die Wirtschaftsinstitute aus. Beängstigend ist dabei nicht nur der tiefe Fall der deutschen Wirtschaft, sondern auch die Dauer: Kaum einer glaubt noch, dass vor 2010 die Talsohle erreicht ist. Massenentlassungen stehen an. Doch während vor französischen Werkstoren die Reifen brennen und Belegschaften die Führungskräfte in Geisel nehmen, bleibt es in Deutschland ruhig - noch.

Das hat Gründe: Die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor von mittelständischen Unternehmen geprägt; die Shareholder-Doktrin der 30 Dax-Unternehmen konnte sich nicht überall durchsetzen. In Zeiten wie diese rücken Belegschaft und Unternehmer eher zusammen, um Wege aus der Krise zu finden. Lust auf großen Klassenkampf hat kaum einer.

Dass DGB-Chef Michael Sommer nun vor sozialen Unruhen warnt, hat wohl auch eher mit einer strategisch gesetzten Drohkulisse für die Verhandlungen beim Konjunkturgipfel zu tun, als dass es an der Gewerkschaftsbasis tatsächlich brodelt.

Bis zu den Bundestagswahlen wird die Große Koalition alles darauf setzten, dass es ruhig bleibt. Antworten auf die Frage, wie die Konjunkturpakete, vor allem aber auch die Milliarden Euro zur Rettung der Banken finanziert werden sollen, werden beide Volksparteien meiden. Doch spätestestens wenn die Wahlen gelaufen sind, wird es in Deutschland einen brutalen Verteilungskampf geben.

Die Regierung sollte bereits jetzt die Lasten auf die Schultern derer legen, die von den Ursachen dieser Krise massiv profitiert haben. Tut sie es nicht, wird es auch hierzulande mit dem sozialen Frieden vorbei sein.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

3 Kommentare

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  • R
    reblek

    Kein "Sprichwort", lieber Felix Lee, der Spruch stammt von Lenin. Aber der hat den deutschen Revolutionär doch nicht für gar so doof oder auch verschwenderisch gehalten und ihn nicht eine Fahr-, sondern eine Bahnsteigkarte kaufen lassen. Das wurde bisher auch in der taz so zitiert

  • A
    Amos

    Die Regierung besteht nur aus Schwächlingen, die

    sich durch "Verkauf" an die Großunternehmen handlungsschwach gemacht haben und es für weniger

    kompliziert halten alles auf dem Rücken des Kleinbürgers auszutragen. Wovor Adenauer gewarnt

    hat ist eingetreten. Der Politiker ist hat sich

    verkauft und murkst nur noch herum.

  • PP
    Peter Pander

    Wie lange dauert die Wirtschaftskrise?

    Um diese Frage dem Versuch einer Antwort zuführen zu können, muss man sich erst vergegenwärtigen, an welchem Punkt eines übergeordneten Wirtschaftszyklus man sich befindet.

    Auch wenn die Wissenschaftler die Theorie des Kondratieff negieren, er liefert den einzigen greifbaren Zeithorizont eines "großen Wirtschaftszyklus".

    Nach seiner Theorie dauert ein solcher Zyklus durchscnittlich 52 Jahre. Er kann also im einzelnen sowohl 30 als auch 70 Jahre dauern. Wenn man sich eine lange Welle von einigen Jahrzehnten vorstellt, ist die Verweildauer in einem Wellental, mit ca. 5 - 10 Jahre nicht zu hoch gegriffen.

    Deshalb halte ich die Spekulationen von 2010 als Zeitpunkt des Verlassens der Krise für grob fahrlässig.

    Anstatt schönzureden sollte man den Bürgern sagen wie schlimm es wirklich wird.

    Und anstatt schlechtem Geld, gutes Geld hinterher zu schmeißen (Bankgarantien), sollte man das Geld aufsparen für die Unterhaltung der auf uns zu kommende Massenarbeitslosigkeit. Das hält die Leute am Leben und erzeugt noch eine gesunde Binnenkonjunktur.

    Ansonsten kann ich nur empfehlen den Stahlhelm aufzusetzen. Die Zeiten werden, angesichts der zur Krise sich hinzugesellenden permanenten politischen Fehlentscheidungen und Prognosen (sind die wirklich so inkompetent?) extrem hart.