Kommentar (siehe S. 1,7 und 21): Wendehals mit Profil
■ Scherf bleibt vorerst hart
Die Glaubwürdigkeit des ehemals linken Politikers Henning Scherf (SPD) hat gerade in Zeiten der Großen Koalition stark gelitten. Scherf, der früher mit seiner Unterschrift gegen den Jäger 90 protestiert hatte, sprach sich plötzlich gemeinsam mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) für den Eurofighter aus. Er hatte keine Bedenken mehr, mutmaßlichen Drogendealern das umstrittene Brechmittel Ipecacuanha zu verabreichen. Und er umarmte den Koalitionspartner so lange, bis der anfing, sich über die Wandlung Scherfs zu wundern.
Gestern hat der Bürgermeister und Justizsenator Scherf wieder Profil gewonnen. Er hat dem Koalitionspartner die Zähne gezeigt. Er werde der Grundgesetzänderung nur zustimmen, wenn der Kompromiß zum Lauschangriff nachgebessert wird und Ärzte, Anwälte und Journalisten von den Abhörmaßnahmen ausgenommen werden, bekräftigte Scherf seine Haltung gestern noch einmal.
Am Freitag, wenn die Entscheidung über den großen Lauschangriff Thema im Bundesrat ist, wird sich zeigen, wie ernst es ihm ist. Seine Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. „Bremen ist doch nicht irgendeine Bananenrepublik“, sagte Scherf vor wenigen Tagen in der Bürgerschaft. Am Freitag kann er zeigen, daß diese Worte keine leere Floskel waren.
Kerstin Schneider
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen