Kommentar sechs Monate nach Fukushima: Das Atomdorf wittert Morgenluft
Sechs Monate nach der Katastrophe von Fukushima ist in Japan vieles wie vorher. Die Bürger unternehmen nichts, um sich gegen die Atompolitik der Regierung durchzusetzen.
E s ist schwer zu glauben, aber Japans Gesellschaft hat sich seit dem Gau von Fukushima wenig verändert. Sicher, das Misstrauen der Bürger gegenüber ihrem Staat war noch nie so groß wie jetzt. Viele Japaner messen die radioaktive Strahlung lieber selbst, als den offiziellen Messwerten zu glauben. Abseits dessen aber ist die Angst, dass ein Streit über den Atomausstieg die Einheit der Nation gefährden könne, weit verbreitet. Und viele Japaner bleiben in einer Untertanen-Mentalität gefangen, die sich mit verantwortungslosen Beamten und Politikern einfach abfindet.
Seit dem Abgang des atomkritischen Premierministers Naoto Kan wittert das "Atomdorf" genannte eiserne Dreieck aus Beamten, Stromversorgern und Industrie Morgenluft. Denn Kans Nachfolger Yoshihiko Noda hält den Atomausstieg nicht nur für Spinnerei. Er verlangt auch, dass alle ruhenden Atommeiler nach dem versprochenen Stresstest wieder ans Netz dürfen - und droht, dass sonst Strommangel die Wirtschaft knebeln und so den ökonomischen Aufschwung gefährden könne.
Natürlich kennt auch der neue Regierungschef die Umfragen, wonach weit über die Hälfte der Japaner die Zahl der Atomkraftwerke reduzieren oder zumindest auf dem heutigen Stand halten möchte. Angesichts dessen fordert selbst Noda nicht, neue Reaktoren zu bauen. Aber zwei im Bau befindliche Kraftwerke will der Premier schon noch fertigstellen lassen. Auch soll die Atomtechnik bis 2030 weiterentwickelt werden. Und sowohl die Wiederaufbereitungsanlage für Plutonium als auch die MOX-Brennelementefabrik in Rokkasho sollen in Betrieb gehen.
ist Japan-Korrespondent der taz.
Sicher, nun soll eine überparteiliche Kommission die Energiepolitik Japans umformulieren. Aber wozu? Wenn Nodas Vorstellungen umgesetzt werden, wird Japans letzter Meiler frühestens 2054 abgeschaltet. Das Atomdorf jubelt bereits klammheimlich über die unmündigen Bürger und den verhinderten Ausstieg.
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