piwik no script img

Kommentar neue Rechts-ParteiKonkurrenz von rechts

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit

In der gut verdienenden Mittelschicht wächst die „rohe Bürgerlichkeit“ – aus Sorge vor finanziellen Belastungen und sozialen Abstieg.

A uch in der Mitte der Gesellschaft gibt es rechte Tendenzen. In der Bundesrepublik denken laut Studien über 40 Prozent, dass Deutschland überfremdet sei. Eine Sarrazin-Partei zu wählen konnten sich im September 2010 laut Umfragen gut 18 Prozent vorstellen. In Hamburg erreichte die Schill-Partei 2001 über 19 Prozent. 2012 ist aber nicht 2001, und Christian Worch ist nicht Ronald Schill.

Der Name der neuen Partei mag die Mittelschicht nicht gleich zur schnellen Abwendung bewegen. In diesem Milieu, so erklärt der Leiter der Langzeitstudien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, Wilhelm Heitmeyer, steigt auch unter den gut Verdienenden und besser Ausgebildeten eine „rohe Bürgerlichkeit“ – aus Sorge vor finanziellen Belastungen und sozialen Abstieg. Der neue Parteichef Worch dürfte dieser Wählerschaft dennoch kaum als Wahlalternative erscheinen.

Denn wer die rechts-affine Mitte in Deutschland erreichen will darf vor allem eins nicht: vom rechten Rand kommen. Von dort aber kommt Worch. Er erklärt zwar, dass das Profil der neuen Partei nicht so „radikal“ sei, wie das der NPD, doch seine Vita konterkariert seine Aussage. Wer marschiert, um den Holocaust zu relativen und den „Kampf auf der Straße“ forciert, dürfte vor allem beim rechtsextremen Wählerspektrum Zuspruch finden. Mit der DVU-Fusion hatte die NPD aber gehofft, die Konkurrenz gerade in diesem Spektrum ausgeschaltet zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • RB
    Rüdiger Bäcker

    " Leiter der Langzeitstudien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" - hört sich nach einem leitenden Schalterbeamten der Deutschen Post oder der HASPA an? Aber Spaß beiseite: Links, rechts oder mittig - mit diesen " Verortungen " kommt man nicht mehr weiter, wenn man sieht, worum es eigentlich geht: Hier sind Menschenfeinde am Werk, deren Abwertung als " Nazis " schon lange nicht mehr ausreicht. Und gegen diese "Systemiker" helfen auch keine juvenilen Antifaträume, sondern nur der knallharte Realismus einer wehrhaften Demokratie. Problem gebannt? Wohl kaum. " Wehrhafte Demokratie ", " Kampf gegen Rechts ", " Wehret den Anfängen " - für viele Menschen bedauerlicherweise nur noch Leerformeln, weil diejenigen, die gewählt und / oder beamtet sind, den deutschen Parlamentarismus als Selbstbedienungsladen, Lobby und Parallelwelt mißverstehen. Viele Menschen fragen sich schon sehr lange und in schwierigen Zeiten immer nachhaltiger, was denn an unserer Demokratie so überaus schützenswert sei? Hierauf muß man profunde Antworten finden. Gute Antworten verbürgen schließlich, dass die Menschenfeinde aus unserer Mitte verschwinden.

  • EL
    Ein Leser

    In der Mitte des demokrat. Spektrums - also genau zwischen Links und Rechts - gibt es RECHTE Tendenzen? Wieso ist die Mitte nicht (nur) LINKS (wie sie es sein müßte)? Weil sie dann keine Mitte mehr wäre, sondern Links?

     

    Dagegen sollte schleunigst etwas unternommen werde! Wie wär's mit roten Farbbeuteln oder Demos gegen Faschismus? Das kommt immer gut.