piwik no script img

Kommentar homophobe PetitionVerlogene Dresche auf Grönert

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Wie die Bremer CDU-Abgeordnete Sigrid Grönert eine homophobe Petition zu unterschreiben, ist daneben. So zu tun, als sei man Vorreiter in Sachen Gleichstellung, auch.

Wollen sich keine Diskriminierung gefallen lassen: Schwule und Lesben protestieren gegen das evangelikale Christival in Bremen. Bild: dpa

W er auf die CDU-Abgeordnete Sigrid Grönert eindrischt, weil sie die menschenfeindliche homophobe Petition gegen Baden-Württembergs Bildungsplan 2015 unterschrieben hat, macht es sich einfach.

Ja, sie gehört der evangelikalen Paulus-Gemeinde in Habenhausen an, daraus macht sie kein Geheimnis. Und seit dem von Evangelikalen organisierten Christival 2008 ist in Bremen bekannt, dass diese Homosexualität für eine Perversion halten. Aber: Das tun viele Nicht-Evangelikale auch, und wenn sie Mitglied einer Partei sind, dann muss das nicht die CDU sein.

Sigrid Grönert hält Homosexualität für propagierbar. Sie glaube "dass man das lernen kann", hat sie der taz gesagt. Auch wenn sie derart diskriminierenden Unfug glaubt: Als CDU-Sozialpolitikerin arbeitet sie sich an allem Möglichen ab, nicht aber an der Diskriminierung von Schwulen und Lesben. Zu Recht hat die Fraktionsvorsitzende der Linken, Kristina Vogt, gestern auf Facebook darauf hingewiesen, dass Grönert „eine Menge vernünftiger Anträge zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen in die Bürgerschaft eingebracht“ hat. Außerdem hat sie regelmäßig eine bessere Unterbringung von minderjährigen Flüchtlingen in Bremen angemahnt.

Deshalb ist es verlogen, wenn sich Mitglieder ihrer eigenen Partei hinter ihrem Rücken über sie aufregen. Als hätte die CDU jemals freiwillig etwas für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben getan. Besonders schlecht sehen die Bremer Konservativen aus. Schwule und Lesben scheint es in ihren Reihen nicht zu geben, ein ehemaliger Abgeordneter verlinkt auf Facebook zu der Debatte um die Petition, bezieht aber keine Stellung. Die anderen Bremer Parteien fallen ebenfalls nicht dadurch auf, dass Schwule und Lesben sich als Vorbilder anbieten.

Müssen sie auch nicht. Auch ohne „Bekennende“ hat die rot-grüne Koalition in Bremen politisch viel für den Abbau von Diskriminierung getan. Wenn sie sich jetzt aber dafür lobt, dass sie mit der Implementierung des Themas „Sexuelle Vielfalt“ in Schulen etwas umgesetzt hat, was in Baden-Württemberg noch geplant ist, dann betreibt sie Schönfärberei. Denn in dem südlichen Bundesland ist sehr genau ausgearbeitet worden, was Schüler und Schülerinnen wissen sollten. Und auch, wie die Kenntnisse über sexuelle Identität helfen, sich und die Gesellschaft zu verstehen.

In Bremen hingegen gibt es nur ein zweiseitiges Schreiben, das Schulen dazu auffordert, eine diskriminierungsfreie Sexualerziehung zu praktizieren. Mit der Umsetzung werden sie allein gelassen, es gibt nur eine lose Stichwortsammlung und den Hinweis, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den nächsten Jahren Material anbieten wird.

Ganz ähnlich sieht es mit den Hilfen für intersexuelle Menschen aus: Vor drei Jahren forderten SPD und Grüne den Senat dazu auf, für die Fortbildung von Lehrkräften und medizinischem Personal zu sorgen sowie eine Beratung von Betroffenen sicher zu stellen. Passiert ist: nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Bei allen Respekt für die Möglichkeit eine andere Meinung zu vertreten fehlt mir doch der Einsicht warum man dann jemand wie Frau Grönert auf eine Stufe stellen muss wie die Nazis.

     

    Das wird nicht gemacht mit Politiker die drängen, dass Eltern ihre Kinder bereits mit fast drei Jahre in den Kindergarten geben, das wird auch nicht mit Poltiker gemacht die unbedingt Eltern dafür bezahlen wollen zuhause zu bleiben (Elterngeld) udn viels mehr.

     

    Die Möglichkeit des anonymen Reagierens wird damit m.E. mißbraucht

    • S
      Staatsbürger
      @Olav van Gerven:

      Die Faktenlage ist leider eindeutig. Die absurde Vorstellung, man könne und müsse gleichgeschlechtliche Liebe 'heilen', hat viele Menschenleben gekostet (u.a. auch das des berühmten brit. Mathematikers Allan Turing). Aus diesem Kontext kann sich Frau Grönert nicht davonstehlen, nur weil sie sich für fromm hält.

       

      Zumal natürlich diese 'Heilungen' auch von Fachverbänden wie der Bundesärzteschaft oder dem Weltärztebund als unmenschlich und unsinnig abgelehnt werden.

      • @Staatsbürger:

        Ich wehre mich auch nicht gegen die sogenannte Faktenlage, ich wehre mich nur dagegen sofort mit "tradition der Nazis" zu schmeißen. DAS ist ungerecht und einfach unsinnig. Die problematische Umgang mit Homosexuellen betsand schon lange vor der NS-Zeit.

  • MK
    Martin Korol

    Ja, so stelle ich mir die taz vor und so war sie ja mal auch durchgehend in allen wichtigen Fragen: Auf S. 3 stand das Gegenteil von dem, was auf S. 24 als allein gültige Position angeboten wurde. Im Wissen um das „errare humanum est“. Dankeschön! Nach Möglichkeit bitte weiter so.

    Martin Korol, Bremen

  • S
    Sonny

    Eine Schande, dass die TAZ Auslöschungsdiskurse gegen Schwule und Lesben ("Homosexualität heilbar"), die in eindeutiger Tradition der Nazis stehen, hier als "diskriminierenden Unfug" beschönigt und verharmlost. Da sieht man, wie wenig die beispiellose Geschichte des Faschismus in diesem Lande und gerade auch der faschistischen und BRD-Nachfolgeverbrechen an Homosexuellen bislang aufgearbeitet wurden.

  • M
    Mizzi

    Seit wann ist es plötzlich verboten, für einen Politiker nicht alle gesellschaftlichen Gruppen, sondern nur die zu vertreten, die ihn dafür auch gewählt hatten ? Oder ist die Vertreterin der christlichen Interessen, die Gönert, als Politikerin weniger wert als Vertreter der schwulen Interessen, Beck.

    • S
      Staatsbürger
      @Mizzi:

      Die Befürwortung der 'Heilung' gleichgeschlechtlicher Liebe hat mit Christentum nichts zu tun. Es gibt ev. Staatskirchen, die gleichgeschlechtliche Paare segnen und trauen.

       

      Die Positionen von Frau Grönert stehen leider eher in der Tradition von KZ-Ärzten wie z. B. Carl Vaernet, die eben auch Homosexuelle 'heilen' wollten.

  • S
    Studierend

    Und warum bitte soll die unzureichende Politik von SPD und Grünen eine Rechtfertigung dafür sein, Hetzer und ihre Auslöschungsdiskurse, die in eindeutiger faschistischer Tradition stehen, nicht als das bloßzustellen, was sie sind? Man soll und und muss beides klar aussprechen!