Kommentar anonymisiertes Bewerben: Keine Garantie für Fairness
Diskriminierung muss nicht mit brennenden Flüchtlingsheimen einhergehen. Vor ihr ist kein Personaler gefeit - gerade weil sie oft subtil ist.
C elle ist überzeugt: Anonymisierte Bewerbungsverfahren dämmen Diskriminierung ein und helfen so, allen Bewerbern mit gleicher Qualifikation auch gleiche Chancen zu ermöglichen. Stimmt das? Leben wir nicht in einer multikulturellen Gesellschaft, in der solche korrigierenden Maßnahmen längst überflüssig sind? Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Alter, Geschlecht - das war doch früher. Oder doch nicht?
Nein. Denn Diskriminierung muss nicht mit brennenden Flüchtlingsheimen einhergehen. Vor ihr ist kein Personaler gefeit - gerade weil sie oft subtil ist. Beispielsweise, wenn er eine Bewerberin für einen Sekretariatsjob bevorzugt, die ein hübsches Foto mitgeschickt hat. Oder sie eben deshalb vielleicht gerade aussortiert.
Zu viele Angaben in einer Bewerbung lenken ab vom Wesentlichen: der beruflichen Qualifikation. Diejenigen, die sie vorweisen können, schaffen die erste Hürde. Ganz einfach. Egal, ob sie Mohammed Yildiz heißen, 58 Jahre alt sind oder drei Jahre wegen Erziehungsurlaub im Job aussetzen mussten.
Dennoch: Das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist kein Garant für Fairness. Ein Entscheider kann auch im persönlichen Gespräch Ressentiments hegen - und entsprechend ablehnen. Oder eben feststellen, dass Herr Yildiz perfekt deutsch spricht, ein 58-Jähriger mit Erfahrung glänzt und eine Mutter beim Wiedereinstieg in den Beruf hoch motiviert ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen