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Kommentar: Zukunft der S-BahnDas vergessene Netz

Kommentar von Svenja Bergt

Egal ob die S-Bahn rekommunalisiert, also an die BVG gegeben wird, oder ob ihr Betrieb ausgeschrieben wird: So lange das Schienennetz in der Hand der Deutschen Bahn bleibt, wird sich nichts wesentliches verbessern.

Großbritannien hätte Lehre genug sein können. Oder Neuseeland. In beiden Ländern ist die Privatisierung des Bahnverkehrs grandios gescheitert. Ausgedünntes Angebot, Unfälle, Streit mit den Privaten. Als Konsequenz hat der Staat die Versorgung erneut übernommen - mehr oder weniger freiwillig. Beide Länder hatten nicht nur den Betrieb verkauft. Sondern die Schienen und Co. gleich mit.

Wenn heute also Gegner einer Teilausschreibung der S-Bahn mit Großbritannien als Negativvorbild argumentieren, ist das unredlich. Denn sie verschweigen dabei, dass Ausschreibung nicht gleich Privatisierung ist - und dass es einen Unterschied zwischen dem Betrieb und der Infrastruktur gibt. Sie verschweigen auch gleich noch ein weiteres Problem: Selbst wenn nach dem Auslaufen der S-Bahn-Verträge im Jahr 2017 die BVG den Betrieb übernähme, das Schienennetz würde immer noch der Bahn gehören. Und Probleme wie Weichenstörungen durch Schneeverwehungen blieben in deren Hand.

Die politische Debatte über die Zukunft der S-Bahn, ob kommunal, ob zum Teil oder komplett ausgeschrieben, wird also nur zur Hälfte geführt. Das ist einfach, weil es so für jede Seite klare Feindbilder und eindeutige Lösungen gibt nach dem Motto: Lasst uns den Betrieb an die BVG geben, und alles wird gut. Schön, wenn es so einfach wäre. Doch wenn neue, funktionstüchtige Züge über ein vernachlässigtes Schienennetz rollen, das bei hohen und niedrigen Temperaturen, Schnee und Laub versagt, hat einer am Ende nichts davon: der Fahrgast.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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2 Kommentare

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  • TO
    Thomas Oberhäuser

    Wir Bürger sollten uns bewußt sein, was Öffentlicher Dienst eigentlich bedeutet, was die Mängel dieser Form gemeinschaftlicher Arbeit sind, und warum die Privatisierungskeule immer wieder ins Leere schlägt. Im Öffentlichen Dienst soll die für die Gemeinschaft wichtige Arbeit geleistet werden, von durch die Gemeinschaft beauftragten Personen. So einfach ist das, was dann aber in der Praxis pervertiert. Hauptkritikpunkte sind eine undurchsichtige Klüngelwirtschaft, ein Selbstbedienungsladen für unredliche Menschen, wo Gemeineigentum hinterzogen wird. Ineffizientes, überteuertes Arbeiten, bei im Vergleich zur Privatwirtschaft unvergleichlich hohen Krankenstand, tun ihr Übriges und der Bürger sucht eine Lösung aus der Misere in der Privatisierung. Problem der Privatisierung ist, dass die Eigner der Unternehmen Gewinne erwirtschaften wollen, was für eine der Gemeinschaft dienlichen Unternehmung eher unpassend ist.

    Die meiner Meinung nach einzige Lösung besteht darin, den gemeinschaftlichen Dienst in einer zu 100% transparenten Form stattfinden zu lassen. Das heißt, die Gelder, die verwandt werden, die komplette Buchführung, Einnahmen-Ausgaben, ohne Zeitverzögerung im Internet für alle zahlenden Bürger nachvollziehbar präsentieren. Mitarbeiter-Einstellungen, Entlassungen, Aufgabengebiete eines jeden Mitarbeiters live im Internet abbilden und zugänglich machen. Die Bürger hätten eine sofortige Kontrolle über die Verwendung ihrer Gelder, sowie einen Überblick über die Mitarbeiterzahl und deren Arbeitsfelder. Der Bürger sollte jährlich einen Bericht über die ausgeführten Tätigkeiten erhalten und die Möglichkeit haben, Aufgabenfelder aufzulösen, zu erweitern, oder Personen Verantwortung zu entziehen. Es fehlt somit eine Form der Bürgerdemokratie statt der Parteiendemokratie. Die Bürgerdemokratie, oder Direkte Demokratie wird nach und nach die Parteiendemokratie ersetzen müssen.

    Den Missbrauch von gemeinschaftlichen Tätigkeiten stark einschränkende Wirkung hätte ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Viele Menschen handeln inkorrekt, um sich Zugang zu Geldmitteln auf Teufel komm raus zu erhalten. Ein bGE würde schlechtes menschliches Verhalten deutlich reduzieren.

  • D
    Daniel

    Das Schienennetz gehört der S-Bahn und die gehört der DB, richtig.

    Aber das heißt noch lange nicht, dass man diese Situation nicht durch politischen Druck ändern könnte.

    Wieso wird überhaupt über den Preis der S-Bahn geredet, wenn es nur darum geht, die Betriebsführung an die BVG abzugeben? Dabei würden dem Land ja kaum Kosten entstehen. Die neu anzuschaffenden Fahrzeuge werden eh langsam abgeschrieben.

    Wo sollen da also Mehrkosten entstehen, wenn nicht durch den Kauf des Netzes? Und ich denke, genau darum geht die Diskussion.