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Kommentar Zivildienst-EndeEin Auge lacht, das andere weint

Kommentar von Christian Semler

Fällt die Wehrpflicht, wird auch der Zivildienst hinfällig. Und das ist gut so. Denn der Zivildienst ist eine Zwangsinstitution. Die einzige Alternative: freiwillige Dienste.

D ie Aussetzung, sprich Beendigung der Wehrpflicht ist seit Angela Merkels Intervention vom Wochenende greifbar nahe. Fällt die Wehrpflicht, wird auch der Zivildienst hinfällig. Und das ist gut so.

Denn der Zivildienst war und ist eine Zwangsinstitution, eine angesichts der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt willkürliche Unterbrechung der Ausbildung. Sie ist gut für die von den Zivis profitierenden sozialen Einrichtungen, aber ökonomisch bleibt sie eine Fehlallokation von "Humankapital" in einem Sektor, der von der ständigen, garantierten Zufuhr billigster Arbeitskräfte lebt. Im Jahr 2009 waren es 90.555.

Die Klage einer Reihe von Sozialverbänden, sie könnten das Ende des Zivizufuhrs nicht verkraften, ist verständlich, aber sozial nicht vertretbar. Das extrem niedrige Lohnniveau könnte durch die Verknappung des Angebots von Arbeitskräften steigen. Trotzdem sind erhebliche Lohnerhöhungen nicht zu erwarten. Dafür sorgt der Import billiger weiblicher Arbeitskräfte etwa aus Polen nach dem Ende der Restriktionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Der Autor

Christian Semler ist langjähriger Mitarbeiter der taz.

Die einzige Alternative zum bisherigen Zivildienst ist ein freiwilliger Dienst, der allerdings attraktiv ausgestaltet werden müsste. Die Ministerin Christina Schröder hat hierzu einige vernünftige Vorschläge gemacht.

Man sollte nicht zu skeptisch die Chancen des zukünftigen freiwilligen Dienstes beurteilen. Klar ist aber: Ohne den Zivizwangsdienst hätte das Gros der jungen Männer nicht daran gedacht, in der sozialen Billigdienstleistungsbranche zu arbeiten. Der Zivildienst bot ihnen die Chance, in großer Zahl soziale Kompetenz zu erwerben. Damit wird es zukünftig vorbei und die Frauen werden wieder unter sich sein. Schade.

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6 Kommentare

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  • M
    Mindestlohn

    von Stefan:"Warum wird nicht einfach ein Pflichtjahr eingeführt, dessen Inhalt jeder wählen darf. Bundeswehr oder Zivildienst."

    weil auch für das Pflichtjahr die Aussage Semlers zutrifft:

    "Denn der Zivildienst war und ist eine Zwangsinstitution, eine angesichts der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt willkürliche Unterbrechung der Ausbildung. Sie ist gut für die von den Zivis profitierenden sozialen Einrichtungen, aber ökonomisch bleibt sie eine Fehlallokation von "Humankapital" in einem Sektor, der von der ständigen, garantierten Zufuhr billigster Arbeitskräfte lebt."

  • L
    Lichtgestalt

    Gut, dass auch die Verlogenheit der schriftlichen Verweigerungs-Begründung endlich ein Ende hat:

    Für mich (schon immer militant) war es grauslig, in diesem Schriftstück gegenüber dem Kreiswehrersatzamt plötzlich unterwürfig auf Peacenik zu machen, einen im Krieg gefallenen Großvater zu erfinden und die ganze Story auch noch religiös zu begründen, nicht als Systemgegner.

  • JN
    Jörg Noll

    Zivildienst wie Wehrdienst sind in erster Linie Zwangsdieste. Diese Dienste muessen nur von Maennern geleiset werden. Von allen Maennern muss nur ein willkuerlich ausgewaehlter kleiner Teil diese Dienste leisten. Bei mir weint kein Auge auch nur ein bischen, wenn ein derartig ungerechter Zwangsdienst abgeschafft wird.

  • S
    Stefan

    Warum wird nicht einfach ein Pflichtjahr eingeführt, dessen Inhalt jeder wählen darf. Bundeswehr oder Zivildienst.

  • C
    CarlA

    "Dafür sorgt der Import billiger weiblicher Arbeitskräfte etwa aus Polen nach dem Ende der Restriktionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt."

    ---

    Ob es mit Beginn der Freizügigkeit 2011 tatsächlich zu einem grösseren Zuzug von osteuropäischen Arbeitskräften kommt, bleibt abzuwarten: andere europäische Länder sind durch Mindestlöhne deutlich attraktivere Ziele als Deutschland.

  • V
    vic

    Ich habe die Bundeswehr immer verachtet und abgelehnt, habe auch nicht "gedient".

    Aber ich glaube die verfassungskonforme Bundeswehr alten Musters war die bessere Lösung.

    Vor einer Berufsarmee habe ich Angst,

    es existieren bereits genug schlechte Beispiele.

    Sie wird wohl wider jede Vernunft trotzdem abgenickt, und deswegen halte ich einen Punkt für dringend erforderlich:

    Diese deutsche Berufsarmee darf keinesfalls weitere Auftragsarbeiten annehmen.

    Die USA oder sonstwer sollen bitte ihre Ressourcenkriege selbst führen, wenn`s denn unbedingt sein muss.