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Kommentar Zapfenstreich WulffEben kleinlaut, jetzt in großer Pose

Kommentar von Tom Strohschneider

Gerade bei denen, die jetzt von einem „unehrenhaften“ Verhalten Wulffs sprechen und sich moralisch aufplustern, scheint der doppelte Boden ihrer Argumente deutlich durch.

Allein unter Militärs: So wird es wohl auch am Donnerstag laufen für Christian Wulff. Bild: dapd

W enn die Bundeswehr Christian Wulff zum Ende seiner Präsidentschaft „Ebony and Ivory“ bläst, werden viele Politiker den alten McCartney-Song von der Gleichheit nicht mitschunkeln können. Sie wollen es nicht. Die noch lebenden Ex-Staatoberhäupter haben für den Zapfenstreich am Donnerstag abgesagt, Oppositionspolitiker sprechen von einer unangemessenen Ehrung für Wulff. Und selbst wer gar nicht eingeladen ist, erzählt jetzt gern und öffentlich herum, warum er sowieso nicht gekommen wäre.

Aus dem Großen Zapfenstreich wird so ein kleiner, aus der höchsten Ehrung der Bundeswehr für eine Zivilperson ein letzter symbolischer Akt der Missbilligung Wulffs. Das mag einerseits bei einem an sich selbst gescheitertes Verfassungsorgan, bei einem Politiker, der mit Kreditfreundschaften, Drohanrufen und flexiblem Umgang mit der Wahrheit für Schlagzeilen sorgte eine angemessene Form des Schlussstriches sein.

Andererseits scheint gerade auch bei denen, die jetzt von einem „unehrenhaften" Verhalten Wulffs sprechen und sich moralisch aufplustern, der doppelte Boden ihrer Argumente deutlich durch. Sozialdemokraten, die noch vor Wochen meinten, ein neuerlicher Rücktritt von der protokollarischen Spitze des Staates würde diesen in eine Krise führen, weiden jetzt die spät erfolgte Demission parteipolitisch aus. Abgeordnete, die sich in der Frage der Versorgung des Ex-Präsidenten eben noch hinter dem Hinweis versteckten, die Gelder stünden ihm nun einmal zu, wollen das für den Zapfenstreich nicht gelten lassen, auf den ein scheidendes Staatsoberhaupt formal betrachtet ebenso Anspruch hat.

Bild: privat
TOM STROHSCHNEIDER

ist Meinungsredakteur der taz.

Hatte es ihnen am Mumm gefehlt, den Sold für den Ex-Präsidenten wenigstens vorübergehend zu stoppen, soll Wulff nun mit dem Boykott des Zapfenstreichs an der ohnehin schon beschädigten Ehre getroffen werden. Wo es aber kaum mehr um das demokratiepolitisch dünne Eis geht, durch das der Mann mit dem Hannoveraner Freundeskreis brach, um die gefährliche Nähe von Wirtschaft und Politik, sondern fast nur noch um Maßstäbe der persönlichen Moral, müssten diese auch für alle gleichermaßen gelten.

Ist Wulff, den man mit politischer Kritik nicht schonen soll, etwa die Ausnahme in einem Betrieb, der sich gern um sich selbst zuerst kümmert? Dieselben Leute, die jetzt wegen Wulffs Ehrensold und der Gewährung weiterer Privilegien mit großer Pose auf der Barrikade stehen, waren kleinlaut, als sich der Bundestag im vergangenen Juni für dieses und kommendes Jahr eine Diätenerhöhung um insgesamt fast 600 Euro genehmigte. Damals hieß es, der naheliegende Eindruck der Selbstbedienung könne korrigiert werden, wenn auch eine angemessene Versorgungsregelung gefunden würde – ein Versprechen, das umgehend in einer Kommission versenkt wurde, von der man seither nichts mehr gehört hat.

„There Is Good And Bad In Ev'ryone“, singen Paul McCartney und Stevie Wonder in „Ebony and Ivory“. Bei Wulffs von Absagen gezeichnetem Zapfenstreich am Donnerstag wird leider nur die Instrumentalfassung gespielt. Wahrscheinlich hätte sowieso keiner richtig hingehört.

Anmerkung der Redaktion: Wie am Dienstagmittag vom Bundespräsidialamt bekannt gegeben wurde, wird „Ebony and Ivory“ nun doch nicht beim Großen Zapfenstreich gespielt. Zu hören sein wird eine Serenade aus dem „Alexandermarsch“ von Andreas Leonhardt, „Over the Rainbow“ von Harold Arlen, „Da berühren sich Himmel und Erde“ von Christoph Lehmann sowie die „Ode An die Freude“ von Ludwig van Beethoven (dapd).

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15 Kommentare

 / 
  • S
    schwups

    Solche Parasiten schwächen die Nation und sind ein Vorbild für andere Schmarotzer jeglicher sozialen Abkunft.

    Täuschung und Vertrauensmissbrauch ebneten den Weg.

    Aufrichtigkeit bedeutet Distanz zu diesen Subjekten.

  • G
    gerialfred

    Hier noch ein Musikvorschlag für den großartigen Zapfenstreich: "With A Little Help From My Friends".

  • O
    outlaw

    Politik ist längst keine ehrenwerte Sache mehr. Wer heute in die Politik geht, will hauptsächlich dahin um abzustauben. Kriegen alle selbst den Hals nicht voll genug -.das Volk aber plagt man mit Erbsenzählerei, weil ja angeblich die Kassen leer sind."Wir müssen den Gürtel enger schnallen". Wer aber ist wir? Die bestimmt nicht. Abwählen!? Aber wen soll man noch wählen? Und Generalstreik ist gegen die Verfassung!? Schön eingefädelt und schön abgesichert, diese Bande.

  • N
    Nordwind

    So so, da bekommt der Krüschan als letztes Schnäppchen kostenlos den Zapfen gestrichen.

     

    Na, dat passt doch.

  • W
    Wüstenratte

    Ich schlage statt der Bundeswehr eine Bergmannskapelle vor, die sollte dann "s is Feierabend" dudeln. Und wenn´s denn schon etwas Popmusik sein muß, wie wer´s mit "bye, bye baby"?

  • P
    P.Haller

    Sollen die doch seinen Zapfen streicheln, von mir aus !

    Nur sollte dies Angie tun, denn bisher hat sie ihm ja auch die Stange gehalten...

  • K
    KFR

    als vierten Titel zum Zapfenstreich empfehle ich alternativ :

    " muss I denn muss I denn zum Städele hinaus und Du mein Schatz bleibst hier".

  • M
    menschenfreund

    Tja, das ist heute eben so, daß miese Führungskräfte keine starken Leute neben sich dulden können, sonst ist ihre angemalte „Autorität“ gefährdet. Markantes Beispiel: Calamity Angie und Friederich Merz. Was bleibt? Schleimen bis zum Anschlag. Dabei lassen wir gern die „verantwortungsvolle und hoch intelligente Stellungnahme“ einer Dame namens Nahles und anderer Geistesgrößen zur Alimentierung von Herrn W. einmal außen vor.

    Ansonsten wünschte ich mir, daß die (Ehren-) Kompanie der Bundeswehr nicht im großen Dienstanzug, sonder im Schlafanzug antritt. Eselskopf anstelle des Helms – eben dem Anlaß angemessen.

  • M
    mephiske

    "Ebony & Ivory". Paul McCartney & Stevie Wonder haben mit diesem Titel wohl an die Gemüter ihrer zahlreichen Fans appelliert; nicht aber an die offizielle Hinfortlobung eines einzelnen von "Mutti's" Söhnen, der mit weit offenen Händen und in vollem Besitz seiner Schaffenskraft, wenigstens der seiner Hände, auf Staatskosten in den Vorruhestand geflüchet ist.

     

    Mephiske

  • C
    Cassandra

    In der Tat wird auf einmal soviel Rhetorik von Ehre und Moral gedroschen, quer durch die Supergroß-Koalition. Todesmutig ist dieses demonstrative Fernbleiben der 4 Altpräsis vom großen TammTamm, welche sich zur gleichen Zeit mit ihrem ehrenhaft verdienten Ehrensold des Lebens freuen. Anstrengungsloser Wohlstand auf höchster Ebene.

     

    Wulff könnte sich ja 15 Minuten vorher plötzlich krankmelden und dem scheinheiligen anwesenden Untertanen den symbolischen Stinkefinger zeigen. Und gleichzeitig mit einer Pressemitteilung auf die erst seit kurzem madig gemachte Frührente verzichten. Eine Blamage wäre beiden Seiten sicher.

     

    Denk ich an Deutschland in der Nacht ...

  • JG
    Jochen Gröne

    Überschrift: Neues aus der Anstalt!

     

    Text: Man(n) bzw. Frau kann sich nur noch an den Kopf fassen und fragen, wie schlimm ist es wirklich bestellt in dieser Bananenrepublik. Die Durchführung des großen Zapfenstreich für diesen "Pattex-Präsidenten" ist ein Schlag in das Gesicht von aktiven und/oder ehemaligen, treuen und im Kampfeinsatz erprobten Soldaten. Ich gehe mal zu Gunsten der Bundeswehrführung davon aus, daß es eine Weisung von oben ist bzw. eine politische Vorgabe von geistig minderbemittelten sogenannten Volksvertretern. Tradition hin oder her, dieser uneinsichtige, raffgierige Zeitgenosse, der schon mal in Niedersachsen das Blindengeld gestrichen bzw. gekürzt hat und damit ein Beleg für „soziale Kälte“ ablieferte, dem steht gar nichts zu. Weder Ehrensold noch ein Zapfenstreich noch sonst was. Der große Zapfenstreich wird damit entehrt. Was hat Herr Wulff für die Bundeswehr getan? Nichts bedeutendes! Sollte aber der Zapfenstreich eine eigene Idee der Bundeswehr sein, dann bitte: Sperrt euch selber weg! Mein Bedauern gilt den befohlenen Soldaten, die für die Durchführung der Zeremonie antreten müssen.

     

    Mit freundlichen Grüßen, Jochen Gröne, Köln

  • GP
    Ginni Porcospino

    Erinnert sich eigentlich noch jemand an den angeblichen Sozialhilfeschnorrer "Florida-Rolf", der 2003 von der BILD und dem Rest der Presse bezichtigt wurde, mit der monatlich aus Deutschland überwiesenen Sozialhilfe in Miami Beach ein Appartement in unmittelbarer Strandnähe zu finanzieren? Obwohl der Mann völlig zu Recht seine Sozialhilfe bezog sah die Bundesregierung Handlungsbedarf und brachte in Rekordzeit eine Gesetzesnovellierung auf den Weg. Rolf war ruckzuck die "Villa" am blauen Meer los und musste wie viele der knapp 1000 im Ausland Sozialhilfe beziehenden zurück nach Deutschland, was darüber hinaus für den Steuerzahler ein teures Vergnüpgen war. Er durfte nicht nur für den Rücktransport der von ihm alimentierten Auslandsdeutschen aufkommen, sondern musste ihnen oft auch einen erhöhten Sozialhilfesatz zahlen. Die meisten Sozialhilfeempfänger hatten sich nämlich in Ländern – wie etwa Polen – niedergelassen, in denen das Leben billiger als in Deutschland ist. Da die Höhe der Sozialhilfe sich nach den Lebenshaltungskosten richtet, beziehen sie in der Regel in der Heimat mehr Stütze als in der Fremde. Da hat es die BILD dem "Schnorrer" aber mal so richtig gegeben.

     

    Was dem Einem sein "Florida-Rolf" war könnte doch durchaus dem Anderen sein "Sylt-Wulff" sein, wobei man zur Ehre von Rolf ganz klar sagen muß: Er hat niemals gelogen oder gegen irgendwelche Gesetze verstoßen geschweige den einen einzigen Cent zu Unrecht bekommen. Aber so eine schnelle Gesetzesänderung, die Rolf zu Unrecht angetan wurde könnte mir für den "Sylt-Wulff" durchaus gefallen.

  • R
    Robert

    Egon Bahr vor kurzem im Freitags-Salon sinngemäß:Die Moral ist lediglich das "innere Geländer". Wenn es also um die wirklich Macht geht,... Und genau so sieht es ja auch in der Realität aus. Bei staatlich sanktioniertem Mord und Totschlag sind etliche Länder längst angekommen bzw. waren nie weg davon. Für die Feiertage ist die Moral natürlich eine jederzeit willkommene Hure. Aber auch nur dann.

     

    Es gibt so eine leicht zu durchschauende pseudomoralische Eiferei, die vor allem dazu dient, von eigenen Verfehlungen abzulenken. Eigenartigerweise funktioniert das doch immer wieder. Warum eigentlich?

     

    Wulff hätte dieses Amt nie annehmen dürfen, aber daß er das komplette Procedere jetzt bis zum bitteren Ende durchzieht, imponiert mir schon. Vielleicht erweist er diesem Land da doch einen Dienst?

     

    Und niemals sollte vergessen werden:JEDER Mensch ist demontierbar. Wirklich absolut JEDER!

  • G
    Gertrud

    Hm,

    verwechselt der Meinungsredakteur hier den "doppelten Boden" mit Doppelzüngigkeit/Bigotterie/Scheinheiligkeit?

  • K
    kroete

    Mit dem Zapfenstreich wird ein Schlussstrich gezogen, der die Amtszeit des Herrn Wulff feierlich beendet, auch ohne "Ex - Elite".

    "Dicke - Backen - Musik" für einen "Glamour - Präsidenten", der den roten Teppich geliebt hat, wenngleich dieser ihm nicht gefallen mag.

    Er geht und mit ihm die Restglaubwürdigkeit der politischen Klasse, die Kosten hingegen bleiben bzw. wachsen.

    Hinterher schlauer zu sein, genügt eben nicht und im Wahlkampf Pfauenräder zu schlagen, ist ein alter Stimmentanz.