Kommentar ZDF: Hessen, Heuchler und Hallodris
Die SPD ist sich uneins, wie sie sich zum Fall Brender positioniert. Statt auf ihre Basis zu hören und nach Karlsruhe zu ziehen, verstrickt sie sich in eigenen Befindlichkeiten.
Die SPD hat es ausnahmsweise mal leicht: In der öffentlichen Debatte um den Einfluss der Politik aufs ZDF steht nach dem Abschuss von Chefredakteur Nikolaus Brender einhellig die Union am Pranger. Namhafte Juristen weisen überzeugend auf den zu großen Einfluss hin, den vor allem die Ministerpräsidenten der Länder auf Auswahl und Zusammensetzung der ZDF-Gremien haben. Sie empfehlen nicht nur ein Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht, sie fordern es sogar ausdrücklich ein.
Doch was macht die SPD? Statt auf ihre Basis zu hören und gemeinsam mit Grünen und Linken nach Karlsruhe zu ziehen, verstrickt sie sich in ihren eigenen Befindlichkeiten. Ein in der Partei nicht mehr allzu mächtiger Landesvater wie Kurt Beck will sich und den Ländern wenigstens beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch Einfluss sichern.
Beck sitzt dem ZDF-Verwaltungsrat vor, sein Staatssekretär Martin Stadelmaier ist im ZDF-Fernsehrat - und Beck möchte gerne, dass das so bleibt. Darum scheut er den Gang nach Karlsruhe. Denn die Verfassungsrichter dürften sich bei einem Verfahren sehr genau mit der Frage auseinandersetzen, was Spitzenpolitiker wie Ministerpräsidenten oder Bundesminister überhaupt in den Gremien von ARD und ZDF zu suchen haben.
Während die SPD-Medienkommission noch trotzig tönt, man werde sich alle Optionen offenhalten, macht die Bundestagsfraktion der SPD die Kakophonie perfekt. Noch bevor sich die Medienkommission der Partei überhaupt ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer schon mal, man habe auf eine Klage in Karlsruhe eigentlich gar keine Lust. Statt also medienpolitisch und in der Öffentlichkeit zu punkten, indem sie das Bundesverfassungsgericht anruft, spielt Kurt Becks SPD dessem hessischen Rivalen Roland Koch in die Hände. Schön dumm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Die Stimmung ist gekippt
Wahlverhalten bei niedrigem Einkommen
Mieterhöhungen helfen der AfD
Öffentlich-Rechtliche im Wahlkampf
Habeck ruft zum Voting auf
+++ AfD-Parteitag in Riesa +++
15.000 blockieren AfD, Polizei schlägt Abgeordneten
Elon Musks politischer Feldzug
Der Besessene
Feier zur Befreiung von Auschwitz
Netanjahu wird in Polen nicht verhaftet werden