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Kommentar Wohngipfel im KanzleramtKampf um Lebensqualität

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Der Wohngipfel brachte wenig Neues. Es wird Zeit, dass die Schwachen in den Wohnungsneubau stärker einbezogen werden.

100.000 Sozialwohnungen sind in der Planung der Bundesregierung vorgesehen – das ist zu wenig Foto: dpa

I m Juni 1996 kamen Hunderttausende nach Bonn. 70 Sonderzüge, 5000 Busse, eine Großdemo hatten die Gewerkschaften organisiert gegen den Sozialabbau in Deutschland. Der Kündigungsschutz war bedroht, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sollte schrumpfen. Ein Generalangriff auf den Sozialstaat war das, in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Eine der größten Protestdemonstrationen in Deutschland folgte. Die geplanten Verschlechterungen kamen nicht.

Die Frage stellt sich, ob ähnliche Proteste auch möglich sind bei der großen sozialen Frage der Gegenwart: Den Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Denn die Wohnungsfrage zielt auch mitten ins Herz, mitten in die Angst.

Deswegen ist die wachsende Aufmerksamkeit für die Wohnungsfrage gut, auch wenn der Wohngipfel am Freitag im Bundeskanzleramt vor allem Bekanntes präsentierte und zu wenig Neues brachte: Steuerförderungen für Neubau, Subventionen für Eigenheimbauer, etwas mehr sozialen Wohnungsbau, mehr Wohngeld.

Man muss sich mal vergegenwärtigen, um welche Gefühle es geht in der Wohnungsfrage. Wer als Mieter befürchten muss, seinen Lebens- und Schutzraum wegen einer Umwandlung in Eigentum oder einer Modernisierung nach vielen Jahren zu verlieren und dann auch den Kiez, die Nachbarn, die nahen Wege einzubüßen, der kriegt Existenzangst.

Die Debatte neu aufladen

Dann geht es um Lebenszeit: Viele wollen zu Recht nicht rausziehen in die billigen Randgebiete und dann jeden Tag zwei bis drei Stunden Lebenszeit durch Anfahrten verschwenden. Keiner will zudem für die Miete mehr als die Hälfte des Einkommens drangeben und sich dann beim alltäglichen Konsum wie verarmt fühlen.

100 000 Sozialwohnungen sind in der Wohnraumoffensive der Bundesregierung vorgesehen- das ist zu wenig angesichts der angepeilten 1,5 Millionen Neubauwohnungen in dieser Legislaturperiode. Dieser minimale Anteil entspricht niemals der Einkommensstruktur der Bevölkerung in den Metropolen. In Berlin beispielsweise sind die Einkommen so niedrig, dass die Hälfte der BürgerInnen für eine Förderwohnung qualifiziert ist.

Es stimmt, die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren entsteht aus der großen Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt einerseits und aus dem genau dort begrenzten oder nicht mehr vorhandenen Bauland andererseits. Dieses Paradoxon kann kein Wohngipfel auflösen. Aber die Verteilungsdebatte um Neubau und Mieterschutz kann moralisch aufgeladen werden, um die Schwachen einzubeziehen.

Wir brauchen mehr Soziales im Wohnungsbau. Wenn sich für dieses Ziel vielleicht im nächsten Jahr Tausende mobilisieren ließen, wäre das doch gut.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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3 Kommentare

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  • Dass man als Mieter immer wie der Vogel auf dem Ast lebt, ist nichts Neues. Im Schwabenland kann man eigentlich immer nur für maximal 10 Jahre irgendwo wohnen, dann braucht der private Vermieter die Wohnung für den Nachwuchs oder die Oma. Der gewerbliche Vermieter will immer wieder neue Verträge abschließen, um höhere Mieten zu erzielen, und ekelt Bestandsmieter raus; oder er macht einfach alles zu Eigentumswohnungen, woraufhin dann wieder das Problem Eigenbedarf entsteht.

    Eigentlich ist es ein Unding, dass Wohnraum überhaupt zur Handelsware zählt. Genauso wie Wasser und Energie sollte Wohnraum in den Händen der Allgemeinheit liegen. Die neoliberalen Marktjünger und Turbo-Heuschrecken können sich bei anderen Dingen austoben, aber die Basisbedürfnisse müssen davon ausgeklammert werden.

  • Langsam schlägt es dem Fass unserer sozialen Sicherheiten den Boden aus, von Rechtswegen sollte die Wohnung als "Zuhause-Sein" zur Würde des Menschen in unserem Land gehören und ebenso geachtet und gegen Verlust geschützt werden, dass bedeutet zu den Grundrechten gehören welches unter keinen Umständen verletzt werden darf, genau wie alle anderen Grundrechte auch. Bei über 100 000 Bürger/innen die kein Dach über dem Kopf haben ein sozialpolitisches Thema was eigentlich die Herzen der christlichen-und sozialen Demokraten/innen rühren sollte.

    Nach dem die Regierung bei ihrer Gründung noch von 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau und für Infrastruktur Maßnahmen der sozialen Brennpunkte an die Länder verteilen wollte und jetzt erst, nachdem die öffentlich rechtlichen und privaten Medien Gebetsmühlenartig unzählige Reportagen und Dokumentationen zu dem Thema Wohnungsnot in die Öffentlichkeit getragen haben, sollen es auf einmal 5,0 Milliarden Euro werden.

    Vielleicht ist es an der Zeit wenn wir wirklich und wahrhaftig von dem System des weiter so ins Nirgendwo verabschieden wollen, wenn die 5,0 Milliarden Euro an einen noch einzuberufenden "Bundes Bürger/innen Senat" übergeben werden, um verschiedene individuelle gemeinnützige soziale Wohnungsbau Genossenschaften zu gründen und die Planungen und Bauausführungen an gemeinschaftliche Architekturbüros und Mitarbeiter/innen Unternehmen zu vergeben.

  • Leider ist dieser Kommentar mmn zu oberflächlich, es wird nicht differenziert, welche Maßnahmen zu welchem Ergebnis führen. Erhöhung des wohngeldes: damit wird der vermieter im Endeffekt staatlich subventioniert. Es ist richtig und wichtig, mit wohngeld zu unterstützen, aber das problem ist heutzutage und hierzulande, dass die Löhne viel zu niedrig im vgl zur miete sind. Diese problematik wird durch wohngeld nur verstärkt. Baukindergeld ist KEINE MAßNAHME UM DIE MIETPROBLEMATIK ZU BEKÄMPFEN. Es ist ein Geschenk an die gut betuchten spd und cdu Wähler, ganz im sinne Schröders strategie der mitte. Mit diesem Geld wird kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen, sondern es ist eine Subvention besserverdienender. Ebemso sind die Steuererleichterungen zu sehen, solange sie nicht zweckgebunden sind: in dtl und auch den Großstädten wird ausreichend gebaut. Das problem ist, das lediglich ca 5-10% für durchschnittsverdiener gebaut wird. Lediglich die kümmerliche eine Mrd für den sozialen Wohnungsbau geht in die richtige Richtung, allerdings viiiieeeeel zu wenig. Was es braucht, ist eine gesetzliche Bevorzugung von unternehmen, die sozialwohnungen bauen, und zwar nach anteil der sozialwohnungen und ein einfrieren der mietpreise in den Großstädten, bis die Löhne so weit gestiegen sind, dass vom UNTEREN DURCHSCHNITTSGEHALT nur 1/3 für die miete aufgewendet werden muss.

    Ein Kommentar macht sich immer besser, wenn man differenziert darlegt, was seiner/ihrer ansicht nach die Probleme bzw vor- und nachteile sind.



    Apropos wohnungsnot: will man noch mehr obdachlose verhindern, sollte man mit aller macht für die Abschaffung sämtlicher h4-Sanktionen eintreten. Dasist nnämlich meist der tropfen, der das fass zum überlaufen bringt.



    Mfg