Kommentar Winterpaket der EU: Angst vor den Braunhemden
Die EU-Kommission stellt ihr Paket zu Klimazielen vor. Leider ist es aus Angst vor rechts etwas lasch geraten – trotz manch guter Ansätze.
D ie EU-Kommission neigt bisweilen zu Scherzen. Da stellt sie nun ein „Winterpaket“ vor, das diverse Maßnahmen vereinigt, mit denen sie ihre Klimaziele bis 2030 erreichen will. 1.000 Seiten ist es dick. Die Lektüre der wichtigsten Passagen zeigt: Da steht ja überhaupt nichts Neues drin.
Da beschließen genau vor einem Jahr die Staaten der Welt in großer weltgeistiger Verantwortung ein internationales Klimaschutzabkommen. Man will alles dafür tun, dass die Erderwärmung bei 2, vielleicht sogar bei 1,5 Grad stehen bleibt. Das heißt zwar immer noch, dass der eine oder andere Inselstaat versinkt oder Ackerbau in großen Teilen Bangladeschs wegen versalzter Böden unmöglich wird. Aber gut. Man bemüht sich.
Ein Jahr später wird ein gewisser Donald Trump („Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen“) Präsident der USA, und wohlfeil verkünden die Umweltpolitiker des alten Kontinents, dann müsse eben die EU klimaschutzmäßig den Bären vom Eis zerren.
Nur, wo bleiben die Taten? Wohlgemerkt, das Winterpaket ist keine Katastrophe. Es schreibt eine Menge guter Maßnahmen fort. Die Ökodesignrichtlinie zum Beispiel, die das Ende der Glühbirne brachte. Aber mehr eben nicht. Die Klimaziele werden nicht erhöht. Gute Ideen werden sogar kassiert – etwa, dass Ökostrom im Netz Vorrang hat vor fossilen Energien. Das kostet keinen Cent Steuergeld und ist Basis des Aufschwungs erneuerbarer Energien. Futsch, weg.
Gut, da erhöht die Kommission die zum Ziel gesetzte Energieeinsparung von 27 auf 30 Prozent und schreibt gleichzeitig, allein das schaffe 400.000 Jobs – warum dann bitte nicht 40 Prozent? Die Erklärung ist simpel: Brüssel hat Schiss.
Rechtspopulisten marschieren in Europa auf, viele faseln wirr etwas von Ökodiktatur in den Wind, da will man niemanden mit höheren Klimaschutzzielen erschrecken. Das ist so ein wenig wie: Das Boot säuft ab, aber bitte nicht so laut sagen, sonst ruft noch jemand „Heil Hitler“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“