Kommentar Westerwelle: Angst vor der Kanzlerin
Westerwelles Attacke auf Merkel ist nichts anderes als eine Variante seines "Wir sind anders als alle anderen Parteien"-Wahlkampfs.
G uido Westerwelle macht es einem wirklich nicht leicht. Bei fast allen Themen gibt sich der FDP-Chef so schrill, dass Beobachter oft kaum noch beurteilen können, wie ernst Westerwelle seine eigene Kritik wirklich ist. Diesmal ist das anders. Westerwelle schimpft auf die Bundeskanzlerin, sie setze insgeheim auf eine Fortführung von Schwarz-Rot. Kaum verhüllt zeigt sich in diesen Worten Westerwelles Furcht vor der gewieften Taktikerin Merkel.
Bereits 2005 musste der FDP-Vorsitzende fassungslos mitansehen, wie sich die CDU-Chefin lautlos vom gemeinsamen wirtschaftsliberalen Vorhaben verabschiedete. Heute setzt Westerwelle, befeuert von schmeichelnden Umfrageergebnissen, erneut auf ein "schwarz-gelbes Projekt". Und wieder droht ihm trotz Stimmengewinnen die Opposition.
Westerwelles Attacke auf Merkel ist nichts anderes als eine Variante seines "Wir sind anders als alle anderen Parteien"-Wahlkampfs. Nur diesmal versetzt mit einer gehörigen Portion Angst. Westerwelle fürchtet, wirtschaftsliberale Wähler könnten sich wegen der Beliebtheit des CSU-Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg letztlich doch wieder für die Union entscheiden. Weniger als fünf Wochen vor der Wahl hilft da aus Westerwelles Sicht nur, vor dem Schrecken einer weiteren schwarz-roten Koalition zu warnen. Dagegen helfe nur die FDP.
In diesem Spiel zwischen FDP und Union haben die Blau-Gelben die schlechteren Karten. Westerwelle hat sich längst festgelegt auf ein Bündnis mit Merkel. Die verbrannten Brücken zu Grünen und SPD lassen sich ohne massiven Gesichtsverlust für den FDP-Vorsitzenden nicht wieder aufbauen. Für die Kanzlerin hingegen ist Schwarz-Gelb nur eine von mehreren Optionen. Deshalb muss Westerwelle krakeelen, und Merkel kann schweigen.
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