Kommentar Weltsozialforum: Dürftige Bilanz

Keine Impulse durch die Revolten in Tunesien und Ägypten, und mangelnde Kooperation zwischen Nord und Süd auch beim Weltsozialforum selbst – ein karges Resultat.

Für ein Weltsozialforum ist Afrika der naheliegendste Schauplatz. Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, an denen sich die Folgen ungerechter Wirtschaftsbeziehungen, rücksichtsloser Ressourcenausbeutung oder militarisierter Konflikte so herb niederschlagen wie hier. Und nirgendwo sonst sind Bewegungen noch so wenig über elektronische Medien vernetzt, direkte Kontakte haben hier weit höheren Stellenwert als im Norden.

Dennoch fällt die Bilanz des Weltsozialforums dürftig aus: Die Teilnehmerzahl blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück, eine gemeinsame politische Positionierung gab es nur im Ungefähren. Begonnen hatte das Forum mit demselben Motto wie seine neun Vorgänger, geendet hat es mit einer Deklaration von Analysen und Forderungen, die zutreffend und richtig sein mögen, doch schon allzu oft in gleicher Form vorgetragen wurden.

Auch die Dynamik der Revolten in Tunesien und Ägypten vermochte dem WSF keine entscheidenden Impulse zu geben. Zwar wurden die Ereignisse in Nordafrika intensiv diskutiert, doch eine politische Übersetzung für die Verhältnisse im subsaharischen Afrika blieb weitgehend aus. Vor allem wurde versäumt, den sozialen Realitäten des Austragungsortes Rechnung zu tragen. Anreise, Unterkunft, Verpflegung waren für Basisbewegte aus Westafrika eine weitaus größere Hürde als für die oft professionell agierenden NGO-Vertreter aus Europa oder auch Lateinamerika.

ist taz-Mitarbeiter und berichtete für die taz vom Weltsozialforum in Dakar.

Veranstaltungen in der senegalesischen Landessprache Wolof suchte man vergebens, die nur online einsehbare Programmübersicht war für kaum mit Computern vertraute Subsistenzbauern nutzlos. Die Gräben zwischen dem Norden und dem Süden der Welt machen vor dem Weltsozialforum nicht Halt. Doch seine Mechanismen, diese Asymmetrien zu kompensieren, waren ähnlich karg wie seine politischen Resultate.

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Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social

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