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Kommentar Welt-Aids-KonferenzLasst uns über Sex reden!

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Viele Regime, gerade in Afrika, verbreiten weiter die Mär, Aids sei eine Dekadenzerscheinung des Westens. Da nützen die besten Medikamente nichts.

I n gewisser Hinsicht kann das Resultat der Welt-Aids-Konferenz in der US-Hauptstadt etwa so zusammengefasst werden: 25.000 Teilnehmende aus aller Welt debattierten hoch professionell ein globales Epidemieproblem – und suchten mehr oder weniger unaufgeregt nach Lösungen. Warum das so zu loben ist, versteht man mit Blick auf die Jahre, als Aids zu einer Chiffre für die drohende Apokalypse schlechthin wurde. Einst nämlich, in den frühen achtziger Jahren, wurde Aids hysterisch erörtert („Schwulenpest“) oder als Risiko nur für sogenannte Minoritäten abgetan.

Angesichts der Bedrohung durch das HI-Virus hat sich jedoch in globaler Hinsicht die größte und entschlossenste Graswurzelbewegung begründet – gegen das Sterben. Sie schaffte, dass in wenigstens einigen, überwiegend reichen Ländern offen über die Ansteckungsgefahren gesprochen werden konnte. Man lernte: Prävention in Sachen Aids war und ist nicht möglich, ohne über Sexuelles öffentlich zu sprechen. Und begriff schnell: Wo dies abgewehrt wird, etwa in den arabischen Ländern, in Osteuropa, in Afrika oder in Zentralasien, steigen die Infektions- und Sterbezahlen ins Mörderische.

Auch in Deutschland – wie in allen anderen Industrieländern – musste diese Erkenntnis erst gegen religiöse Eiferer durchgesetzt werden. Wer keine Epidemie will, darf sich nicht scheuen, sogenannte schmutzige Worte ins öffentliche Gespräch einzuführen.

Bild: Archiv
JAN FEDDERSEN

ist Redakteur für besondere Aufgaben in der taz.

Triftig ist insofern der dringlich formulierte Wunsch aller Konferenzteilnehmenden von Washington, den Infizierten in der Dritten Welt Aidsmedikamente billiger anzubieten. Diese helfen, die Infektion latent zu halten – wie die Zuckerkrankheit etwa. Ebenso war es einer US-Politikerin wie der Außenministerin Hillary Clinton abzuverlangen, dass ihr Land mehr Mittel für Aidsforschung und -prävention bereitstellt, ohne die Einhaltung christlicher Enthaltsamkeitsgebote zur Bedingung zu machen.

Wahr aber bleibt, dass die Segnungen vieler Gelder in armen Ländern bei Betroffenen nicht ankommen. Wenn Regime, wie die meisten afrikanischen, weiter die Mär verbreiten, Aids sei eine Dekadenzerscheinung des Westens, das HI-Virus könne afrikanischen Männern und Frauen mithin nichts anhaben, nützen die besten Medikamente nichts.

Aids ist nach wie vor nicht heilbar, aber in Schach zu halten. Wer in Sachen Aids zu Sexuellem schweigt, tötet mit.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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