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Kommentar WehrpflichtStirb langsam

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Seit Jahren dreht sich die Wehrpflichtdebatte um Lebenslügen. Der Sparzwang der Regierung ermöglicht endlich eine ökonomische Diskussion über den Zwang zum Militär.

W er hätte gedacht, dass Karl-Theodor zu Guttenberg so schnell zum Liebling von Grünen und Linken avanciert? Und auch die FDP begrüßt, dass der Verteidigungsminister in seinem Haus sowohl die Verkleinerung der Truppe als auch die Aussetzung der Wehrpflicht durchrechnen lässt.

Nun dient dies vermutlich ja vor allem der Sammlung von Verhandlungsmasse für die Sparklausur der Bundesregierung am Sonntag. So kann Guttenberg am Wochenende vor seine KabinettskollegInnen treten und sagen: Ihr könnt zwischen drei Sorten Ärger wählen. Entweder wir verkleinern die Bundeswehr, schließen 100 Standorte und bringen so den gesamten Militärapparat gegen uns auf. Oder wir streichen ein halbes Dutzend Rüstungsprojekte vom Kampfhubschrauber bis zum Raketenabwehrsystem und haben die gesamte Rüstungsindustrie und deren Standortlobbyisten, sprich die Ministerpräsidenten, am Hals. Oder wir setzen die Wehrpflicht aus und opfern ein viel besungenes ideelles Gut der Union.

Weil dann sicherlich CDU und CSU sofort rufen: Wehrpflicht weg, das geht gar nicht!, wird man Guttenberg Rückhalt beim Kampf gegen Generalität und Ministerpräsidenten zusagen - und einen vielleicht etwas kleineren Sparbeitrag von ihm in Kauf nehmen.

Bild: privat

Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz.

Doch selbst wenn dies herauskäme, so hätte Guttenberg der Diskussion über die militärische Verfasstheit der Republik dennoch einen großen Dienst erwiesen. Denn die Wehrpflichtdebatte dreht sich seit Jahren nur um Vermutungen und teils auch Lebenslügen, die auf Erfahrungen aus Weimarer Zeiten fußen - nur die Wehrpflicht verhindere einen "Staat im Staate" etc. Der Sparzwang der schwarz-gelben Regierung aber ermöglicht es nun, endlich die Ökonomie der Wehrpflicht zu diskutieren: So mag die Abschaffung der Wehrpflicht kurzfristig eine dreistellige Millionensumme sparen, Volkswirtschaftler aber sind sich bislang durchaus nicht einig, ob Berufsarmeen am Ende nicht doch teurer sind als Wehrpflichtarmeen - selbst wenn sie in der Regel wesentlich kleiner sind.

Eines aber sind Berufsarmeen nicht: friedlicher. Eine neue deutsche Berufsarmee wäre das Gegenteil des behäbigen Beamtenapparats, den die Republik jetzt hat. Sie wäre schmaler, ganz auf Auslandseinsätze ausgerichtet, schlagkräftiger. Sie wäre Guttenbergs Traumtruppe - nicht die der Opposition.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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4 Kommentare

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  • F
    Fofi

    Endlich Schluss mit der Wehrpflicht! Nicht aus ökonomischen sondern aus menschlichen Gründen. Warum musste ich vor über 40 Jahren lernen, wie man Leute umbringt? Hätte ich es nach dem unfreiwilligen Staatsdienst ohne Befehl von oben getan oder auch nur versucht, dann ... wäre die Gesetzesmaschine plötzlich ganz anderer Meinung gewesen.

  • E
    EnzoAduro

    Natürlich sind Berufsarmeen billiger.

    Nicht nur das Wehrdienstler 50% der Zeit nur kosten (AGA) und danach kaum helfen (also ich saß nur im Büro rum und hatte sachen zu tun die man locker wegrationalisieren könnte).

    Sie sind auch vom Arbeits/Ausbildungsmarkt weg.

    Sie sind später mit dem Studium/Ausbildung fertig.

    Wer jetzt mit dem Argument kommt "Die sind ja sonst eh nur Arbeitslos - der hat echt einen an der Schraube, weil das quatsch ist" Und haben eine kürzere Lebensarbeitszeit als wenn sie nicht beim Bund wären.

    Nur einem Hilft der Werdienst: Den Zeitsoldaten, die darurch beim Bund noch eine Hierarchieebene unter sich haben.

    Unter dem Strich kostet die Wehrpflicht weit mehr als im Budget des BMV ausgerechnet wird.

     

    Und am Schluss: Es stellt eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Männern dar.

  • R
    RiverTam

    Wer über Einsparungen durch Abschaffung der Wehrpflicht jubeln will, sollte nicht vergessen, dass der Großteil der 400 Mio in den Wehrersatzdienst fließen dürfte. Da die meisten Zivi's in der Pflege arbeiten - die unbemerkt von vielen gerade am zusammenbrechen ist - dürften die Kosten, die ohne die Wehrpflicht entstehen wesentlich höher sein, als die, die jetzt zu entrichten sind.

    Die Annahme, dann "könnten im Pflegesektor richtige Arbeitsverhältnisse zu einem menschenwürdigen Lohn geschaffen werden" (Dr. Kawasaki auf meta.tagesschau.de) wirkt ein bisschen naiv. Dank der Einsparungen in den letzten 15 Jahren in diesem Bereich ist der "Mittelteil" der Alterstruktur in diesem Beruf sehr ausgedünnt - die Arbeitsbedingungen und die Löhne sind einfach zu schlecht geworden. Der Fachkräftemangel ist jetzt schon katastrophal, wenn die Hilfskräfte (ja sie werden ausgenutzt!) jetzt auch noch ausgehen, kann sich jeder selber ausmalen, was passiert.

     

    Was zwei Schlussfolgerungen zulässt:

     

    1. an die PDL's: behandelt die Fachkräfte, die ihr habt, wie kostbare Juwelen. Wenn ihr sie verliert, ist sehr unsicher, ob ihr Ersatz findet!

    2. Es ist Zeit, über eine Neuverteilung der Gelder zwischen Kranken- und Pflegekassen, aber auch innerhalb der Krankenkassen zu reden! 20 % Lohnsteigerungen in der Ärzteschaft bei zusammenbrechendem Pflegepersonal? Da muss sich was ändern!

  • O
    onny

    Kleine Anmerkung an die Redaktion oder Administratoren des Portals: Für die Kommentar-Funktion gibt es immer nochmal einen extra FLattr-Button, was wohl garnicht so beabsichtigt war und auch irgendwie sinnlos ist :/

     

    Der Kommentar ist leider ein wenig kurz, trotzdem sehr interessant! Gerne mehr davon ;)