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Kommentar Warnstreiks öffentlicher DienstDer Wert von 100 Euro

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die Beschäftigen brauchen das Geld nicht unbedingt, um sich teurere Klamotten zu leisten. Private Rücklagen sind nötig, um später niedrige Renten auszugleichen.

E s sind bekannte Bilder, aber in diesem Jahr könnte es ein wenig anders werden als sonst. In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland stand am Montag der Nahverkehr still, Kitas und Ämter blieben geschlossen.

Die Warnstreiks, zu denen die Gewerkschaft Ver.di anlässlich der laufenden Tarifrunde rund 10.000 Beschäftigte mobilisiert hat, treffen wie immer die BürgerInnen. Doch die moralische Rechtfertigung für den Arbeitskampf dürfte Ver.di in diesem Jahr leichter fallen. Und das nicht nur, weil die Konjunkturdaten noch relativ gut und die Erwerbslosenzahlen gesunken sind.

In Tarifrunden geht es um Geld. 100 Euro mehr oder weniger, zum Beispiel, können in einer Einkommensklasse von 1.600 Euro netto sehr viel ausmachen. Die Beschäftigten brauchen das Geld nicht unbedingt, um sich teurere Klamotten oder ein besseres Auto zu leisten.

Bild: taz
BARBARA DRIBBUSCH

ist Redakteurin für Soziales im Inlandsressort der taz.

Die Arbeitsentgelte sind vielmehr ein Politikum geworden, weil man sich mit diesem Selbstverdienten heute auch soziale Sicherheit kaufen muss: Private Rücklagen sind nötig, um später niedrige Renten auszugleichen und Gesundheitsleistungen bezahlen zu können. Erst recht in einer Zeit, in der Frauen, im öffentlichen Dienst überproportional vertreten, eben nicht mehr automatisch auf den gutgestellten Ehemann setzen können.

Das alte Argument der Arbeitgeber, wonach man im öffentlichen Dienst doch immerhin einen sicheren Job habe, zieht nicht mehr, zumal ErzieherInnen und KrankenpflegerInnen heute händeringend gesucht werden, aber im höheren Alter häufig auf Teilzeit reduzieren und damit auf Einkommen verzichten, weil sie den Vollzeitjob nicht mehr schaffen.

Die Post hat bereits mit 4 Prozent plus abgeschlossen. Bei Bund und Kommunen ist ebenfalls ein höherer prozentualer Abschluss drin. Und eine Mindesterhöhung für die unteren Entgeltgruppen, auch jetzt wieder von Ver.di gefordert, sollte sich Gewerkschaftschef Frank Bsirske in den Verhandlungen nicht abkaufen lassen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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3 Kommentare

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  • N
    Nadi

    Wenn die Politiker vernünftig wären, dann würden sie 4 Prozent freiwillig geben und über Zusatzrenten für ganz niedrige Lohngruppen reden. Das tun sie aber nicht. In vielen Bundesländern soll die Schuldenbremse ja durch den Lohnverzicht dieser Beamten und Angestellten erreicht werden, womit für viel Ärger gesorgt wird.

     

    Es geht aber nicht nur um Rente, sondern auch um Familien, die von diesen niedrigen Entgelten leben müssen. Und das häufig nicht mehr schaffen, da laufen dann die Eltern manchmal noch zu anderen Jobs oder pumpen die Großeltern an. Und das ist nicht mal eine Übertreibung. Für Singles mag es kurzfristig mit wenig Geld gehen, aber insgesamt stellt sich bald die Frage, welche Anreize der öffentlichen Dienst noch hat, wenn ein Teil der Mitarbeiter dort verarmt und vor allem am Ende bei der Rente sogar zum Sozialfall werden kann.

  • B
    Bernd

    Ob die taz es jemals wieder schaffen wird, einen Kommentar zu veröffentlichen, in dem nicht das Schicksal der ach so gebeutelten Frauen angeprangert wird? Es wird langsam peinlich, dass die taz außer "Böse Nazis" und "Ausgebeutete Frauen" keine anderen Themen hat - ein ganz müder Kommentar, echt zum Gähnen. Oder soll das so eine Art Retro-Kommentar im Vorgriff auf den 1. April sein?

  • H
    Helga

    Meine ich das nur oder wechseln die Redakteure bei der taz schneller als die Trainer bei der Hertha? Auch dieser Artikel ist ja mal wieder von bestürzender Einfalt und erfüllt genau die Erwartungen des eher schlichten, gutmenschelnden taz-Lesers. Erschreckend, dass solche einfältigen Kommentare ernsthaft veröffentlich werden. Journalismus geht anders.