Kommentar Warnstreiks der IG Metall: Anständige Arbeit für alle
Die IG Metall tritt an, die arbeitsmarktpolitischen Sünden der Hartz-IV-Reformen per Tarifvertrag zu korrigieren. Ihr ist dabei größtmöglicher Erfolg zu wünschen.
D er Kampf um die Zukunft der Arbeit beginnt in diesem Jahr nicht am Tag der Arbeit, sondern einen Tag später. Dann, wenn Deutschlands stärkste Gewerkschaft, die IG Metall, ihre Warnstreiks in der diesjährigen Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie ausweitet.
Im Gepäck hat sie dabei nicht nur die Forderung nach ein paar Prozent mehr Lohn. Nein, es geht ihr um die Korrektur gesellschaftlicher Fehlentwicklungen: Sie will die Leiharbeit und die befristete Beschäftigung eindämmen. Dabei ist ihr größtmöglicher Erfolg zu wünschen, denn es ist ein Skandal, dass Millionen Menschen im reichen Deutschland von unsicherer Billigarbeit leben müssen.
Ein solcher Erfolg hätte auch eine Signalwirkung an die Politik, die Ursache dieser Fehlentwicklungen zu beseitigen und Teile der unsäglichen Hartz-IV-Reform zurückzunehmen. Zur Erinnerung: Es war die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die mit Unterstützung von Union und FDP die Arbeitsmarktreformen beschloss, unter denen heute Leiharbeiter, Mini-Jobber und Menschen leiden, die sich von einem befristeten Arbeitsvertrag zum nächsten hangeln.
Keine schlechten Karten
Richard Rother ist Redakteur im Ressort Ökologie und Wirtschaft der taz.
Die IG Metall tut nun alles, was in ihrer tarifpolitischen Macht steht, um den massenhaften Missbrauch mit diesen arbeitsmarktpoltischen Instrumenten zu begrenzen. Sie fordert die unbefristete Übernahme aller Auszubildenden; zudem sollen Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeitern mitentscheiden, die in den Betrieben häufig auch als Druckmittel gegenüber der Stammbelegschaft benutzt werden.
Zwar haben die Unternehmen Widerstand gegen die Erfüllung dieser Forderungen angekündigt. Dennoch hat die IG Metall keine schlechten Karten: Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, da tut ein Streik weh. Außerdem steht nicht nur die Bevölkerung steht hinter der Gewerkschaftsforderung nach anständigen Arbeitsplätzen, sondern auch die Demografie.
Wenn künftig gut ausgebildete Fachkräfte gesucht werden, sollten langfristig planende Unternehmen junge Leute nicht mit miesen Jobs verprellen. In der Stahlbranche hat sich diese Einsicht schon durchgesetzt: Hier werden Azubis unbefristet übernommen.
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