Kommentar Wahlkampf in Hessen: Ein Gespenst geht um
CDU-Ministerpräsident Roland Koch taktiert geschickt im Wahlkampf gegen Rot-Rot-Grün, indem er eine linke Regierung als Bedrohung für Hessen stilisiert.
R oland Koch bleibt sich treu: In vergangenen Wahlkämpfen schürte der hessische Ministerpräsident Ressentiments gegen angeblich integrationsunwillige Migranten. Nun, knapp drei Monate vor der nächsten Landtagswahl in Hessen, packt Koch wieder den Holzhammer aus. Dieses Mal muss das Horrorgemälde eines "Linksblocks" herhalten, um bei den Stammtischen zu punkten.
Zwar betonen SPD und Grüne ständig, dass sie eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linkspartei nach der Wahl im Januar ausschließen. Allein, Koch ficht das nicht an. Passgenau deckungsgleich seien die wichtigsten Programmpunkte von Sozialdemokraten, Grünen und den "stinknormalen Kommunisten" (Koch) von der Linkspartei, argumentiert er. Bei Bildungs- und Umweltpolitik und der inneren Sicherheit marschiere das "Linkskartell" längst im Gleichschritt.
Koch taktiert vorhersehbar, indem er auf einen Lagerwahlkampf setzt und eine linke Regierung als Bedrohung für Hessen stilisiert. Dennoch ist seine Strategie klug und bringt SPD und Grüne in Erklärungsnot. Denn dass SPD und Grüne zusammen die absolute Mehrheit erobern könnten, glauben nicht einmal deren Spitzenkandidaten. Für sie eröffnet sich nur dann eine Chance auf einen Regierungswechsel, wenn die Linke den Einzug in den Landtag schafft. Und in diesem Fall könnte das strikte Nein zur Linken wackeln. Zumal die, das hat sie bereits angekündigt, zur Zusammenarbeit bereitstünde - wenn die Inhalte stimmen.
Koch kann mit seiner alten Losung "Freiheit statt Sozialismus" nur gewinnen: Scheitert die Linke an der Fünfprozenthürde, kann er sowieso weiterregieren, wahrscheinlich mit der pflegeleichten FDP. Kommt die Linke rein und reicht es für CDU und FDP nicht zur Regierungsbildung, steht die SPD vor einer Zerreißprobe. Fallen die Sozialdemokraten um und koalieren mit Grünen und Linken, stünde der rechte SPD-Flügel Kopf. Chaostage in Wiesbaden wären die Folge. Bleibt noch eine große Koalition als Alternative. Und die will in Hessen kein Mensch. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies