Kommentar Wahlen in Griechenland: Das kleinere Übel
Die Wende des Wählers hin zur linken Volkspartei Pasok ist kein Vertrauensvotum. Fast alle Griechen wissen, dass die Pasok fast genauso gehandelt hätte wie die alte Regierung.
J eder Vergleich hinkt, aber auch hinkend kommt man weiter. Anders als in Deutschland, wo angesichts der Wirtschaftskrise jeder sechste Wähler sich der wirtschaftsfreundlichen FDP anvertraut und eine "bürgerliche" Regierung ermöglicht hat, haben die Griechen aus Angst vor den Folgen der Krise links gewählt.
Diese Aussage gilt auch dann, wenn man die Pasok für eine eher populistische Partei hält, die auf dem Weg zu einer sozialdemokratischen Kraft im westeuropäischen Sinne noch einen weiten Weg vor sich hat. Denn unbestreitbar ist, dass fast 60 Prozent der griechischen Wähler die Parteien links von der Mitte gewählt haben - also Pasok, Kommunisten, linkssozialistische Syriza und Grüne.
In diesem Block sind die unzufriedenen bis rebellischen Jugendlichen gar nicht eingerechnet; die nämlich haben ihrem Protest durch Wahlabstinenz Ausdruck verliehen. Insgesamt gab es dieses Mal sehr viele Nichtwähler, wie die Wahlbeteiligung von nur 70 Prozent ausweist, die angesichts der in Griechenland geltenden Wahlpflicht extrem niedrig ist.
Dass sich die griechischen Wähler von der Partei abwenden, die ihnen keinen Ausweg aus der Krise weisen kann, sondern diese durch Korruption und Misswirtschaft noch verschärft hat, ist nicht erstaunlich. Trotzdem ist die Wende zur linken Volkspartei Pasok kein Vertrauensvotum.
Fast alle griechischen Bürger wissen, dass die Pasok nicht viel anders gemacht hätte als die alte Regierung. Keineswegs ist sie ein Garant für den Kampf gegen die Korruption, den Georgios Papandreou im Wahlkampf versprochen hat. Was dessen Wahlsieg verdeckt, ist das tiefe Misstrauen gegen beide großen Parteien, das die meisten Griechen in tiefster Seele hegen. Die Sieg der Pasok zeigt nur, dass die Angst vor der Krise noch größer als dieses Misstrauen ist.
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