Kommentar Wahlen Ostukraine: Vertiefte Gräben
Die Abstimmung in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk verheißt nichts Gutes. Ein Frieden rückt in immer weitere Ferne.
D er Abstimmung vom vergangenen Sonntag in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk der Ostukraine sei Dank: Nun sind sie also „legitimiert“ die beiden prorussischen Interimschefs Leonid Passetschnik und Denis Puschilin samt der ihnen hörigen Claqueure in den örtlichen Parlamenten.
Dabei waren die sogenannten Wahlen nichts anderes als eine Farce. Ganze Belegschaften von Betrieben wurden unter Druck gesetzt im Falle einer nicht opportunen Stimmabgabe ihren Arbeitsplatz zu verlieren. International ernstzunehmende Wahlbeobachter waren nicht vor Ort. Und die einzige wirkliche Auswahl hatten die WählerInnen an reich bestückten Lebensmittelständen – eine schon zu Sowjetzeiten gängige Methode, um sie zu motivieren, ihrer „staatsbürgerlichen Pflicht“ nachzukommen.
Doch trotz der gesammelten Absurditäten geht von diesen „Wahlen“ eine Botschaft aus, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lässt. Will heißen: Das Ziel, die Region zu befrieden, ist in weite Ferne gerückt. Denn Wahlen abzuhalten – mit dem Segen Moskaus versteht sich -, stellt eine eklatante Verletzung des Minsker Abkommens da. Diese Vereinbarung von 2015, bis dato die einzige Grundlage für Verhandlungen, macht eine all umfassende Waffenruhe zur Voraussetzung für eine Durchführung von Abstimmungen. Von einer Waffenruhe allerdings kann in der Realität keine Rede sein. Fast täglich werden Verstöße gemeldet – und zwar von beiden Seiten. Und fast täglich sterben Menschen in einem Konflikt, der bisher über 10.000 Opfer gefordert hat.
Deshalb dürfte wohl auch jetzt leider alles weitergehen wie bisher. Russland wird einen Konflikt befeuern, mit dem man angeblich nichts zu tun hat. Auch die Ankündigung der Ukraine, alle diejenigen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, die gewählt haben, dürfte nicht zur Entspannung der Lage beitragen. Zumal die Ankündigung absurd ist, wenn man bedenkt, wie sehr die Bevölkerung unter Druck gesetzt wurde, ihre Stimme abzugeben. Und Fakt ist außerdem: Laut einer Umfrage von diesem Jahr befürworten rund 70 Prozent der Befragten in Donezk, dass ihre Region wieder unter die Kontrolle der Kiewer Regierung zurückkehrt.
Alles in allem: keine guten Aussichten für Frieden in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz