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Kommentar Wahl in den NiederlandenDas kleinere Übel

Kommentar von Tobias Müller

Die gute Nachricht ist: Die Rechtspopulisten haben verloren. Die schlechte: Die Rechtsliberalen sind die Sieger – mit den Inhalten der Wilders-Partei.

V erkehrte Welt am Strand von Scheveningen: auf der Party der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, frisch gebackene Siegerin der niederländischen Parlamentswahlen, bejubelt das Publikum frenetisch die Verluste der Wilders- Partei. Gerade so, als hätte es da nie eine Verbindung gegeben.

Als hätte nicht Mark Rutte, der alte und voraussichtlich neue Premier just dieser Partei, vor zwei Jahren das Wohl seiner Regierung von den Rechtspopulisten abhängig gemacht. Die Sache ging schief, die VVD hat gelernt, und der Jubel scheint den Schlussstrich unter dieses Kapitel zu bekräftigen. Ein katharisches Klatschen, gewissermaßen.

Dann spricht Mark Rutte. Sein Gesicht ist freundlich, er wirkt gerührt. Die Worte kommen bedächtig statt brachial wie die von Wilders. Und doch hängen da diese Slogans hinter ihm, an der Rückwand der Bühne: "Kein Niederländisch, keine Sozialhilfe", „Mehr Polizei auf der Straße, nicht am Schreibtisch“, und „mehr Strafe und weniger Verständnis für Kriminelle“. Seltsam bekannt klingt das.

Knallhart – ohne den hetzerischen Ton

Ein paar Kilometer weiter gesteht derweil Geert Wilders die Niederlage seiner Partei ein. Und schwört denen, die sie jetzt abschreiben, die PVV werde zurückkommen, und zwar „knallhart“. Die Kampagnen-Rhetorik der Wahlsiegerin gibt indes Aufschluss, dass die Wilders´sche Agenda mit diesen Wahlen keineswegs aus Den Haag verschwindet.

Tobias Müller

ist Autor der taz und berichtet regelmäßig aus den Niederlanden.

Die VVD führt sie fort, ohne den hetzerischen Ton und die groben rhetorischen Ausfälle. Nicht „knallhart“ in der Wortwahl, doch in der Essenz nur graduell verschieden. Das geringere Übel, wenn man so will.

Der Sieg der Partei, im deutschsprachigen Raum mit dem Label „Rechtsliberale“ versehen, ist ähnlich knapp wie vor zwei Jahren. Zugleich hat die VVD jedoch mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte einen elektoralen Quantensprung gemacht. Zehn zusätzliche Sitze sind ein deutliches Zeichen: der Zupruch der Bevölkerung zur VVD ist immens – was in erster Linie ihrem Programm strikter Haushaltsdisziplin geschuldet ist.

Wenn nun die heikle Prozedur der Regierungsbildung beginnt, bleibt zu hoffen, dass die VVD auf einen starken Koalitionspartner trifft. Einen, der ihr möglichst viel Konzessionen abverlangt und sie dazu bringt, Wasser zu ihrem Wein zu fügen. Dieser wiederum besteht, neben den oben genannten Zutaten, vor allem aus einer mehr als 20 Millionen Euro schweren Kürzungsagenda, die zum Großteil in der sozialen Sicherheit und dem Pflegesektor zu Buche schlägt.

Zweifellos werden Kritiker eine solche Koalition „Stillstand¡ nennen. Ein instabiles, weil latent zerstrittenes Kabinett, während die Niederlande in der Krise doch gerade eine starke Regierung benötigten. Sollten die zweitplazierten Sozialdemokraten sich auf ein solches Bündnis einlassen, wäre all dies zutreffend. Und dennoch auch dies nur das geringere Übel.

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4 Kommentare

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  • F
    Fatima

    Natürlich wäre eine Mehrheit der PVV wünschenswert gewesen, aber mit der VVD kann ich durchaus leben. Besser als die Linken die sich einen Dreck um uns ehemalige Muslime kümmert. Da war mir Herr Wilders wesentlich lieber!

  • Q
    QuantenMeinung

    In den Niederlanden lebend bin ich unzufrieden mit ein paar Dingen: dass die PVV nur 9 Sitze im Parlament verliert, dass Rutte wohl Premier bleibt und dass der Sozial- und Bildungsbereich nun vor ungesunden Kürzungen stehen wird.

     

    Aber als Physiker rege ich mich, wenigstens für einen kurzen Moment, über eine Sache noch mehr auf als über das Wahlergebnis:

    Ein Quantensprung ist - außerhalb des Journalismus - die kleinste in der Natur mögliche Bewegung! Es mag zwar nach Superlativ klingen, ist aber tatsächlich nicht der Rede wert.

    Wenn schon Naturallegorien, dann doch bitte sowas wie "im Sturm erobert", "Erdrutschsieg" o.ä.

     

    Im Übrigen teile ich die Einschätzung von Tobias Müller.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Die CDU sollte mal zu den holländischen Nachbarn schauen, dort kann sie lernen, dass man in einer traditionell linksliberalen Gesellschaft trotzdem mit konservativen Themen Wahlen gewinnen kann.

    Denn Linksliberale sind nur solange links, solange sie von den Problemen der Integration nicht selbst betroffen sind. Sobald die Migranten ihre Wohngebiete und die Schulen ihrer Kinder erreicht haben, ist Schluss mit lustig...

  • F
    FaktenStattFiktion

    Geert Wilders hatte im Vorfeld bereits offen angekündigt, eine Haftungsunion wie Deutschland den holländischen Bürgern nicht zuzumuten. Das war auch den deutschen Journalisten bekannt - er hat es in einer Rede in Berlin letztes Jahr öffentlich bekundet.

     

    Gleichwohl haben ein Teil der Wähler, welcher er bei der letzten Wahl hinzugewinnen konnte, nun wieder konservativ gewählt statt der (im besten Sinne) liberalen „Partei Für Die Freiheit“ das Mandat zu geben.

     

    Das war zwar zu erwarten, ärgerlich ist es trotzdem. Positiv ist, dass der Stimmenverlust weit geringer ausfällt, als der ernorme Stimmenzuwachs bei der letzten Wahl. Offensichtlich haben genug Niederländer trotz der konzertierten Anfeindungen durch die Medien (siehe Kommentar von Tobias Müller) die Nase gestrichen voll von einer politischen Kaste, welche die Souveränität des Landes (und der Bürger) verramscht.