Kommentar Wahl in Zypern: Zypern wählt den Rettungskredit
Die Wähler in Zypern haben sich für den Kandidaten entschieden, dem die besseren Drähte zu den Mächtigen in Europa nachgesagt werden. Sie sollten Solidarität zeigen.
W enn es eine Regel gibt, wie Wahlen in den krisengeschüttelten Staaten im Süden Europas ausgehen, dann hat sich diese am Sonntag bestätigt. Amtierende Regierungen werden abgestraft. Auf Zypern traf das einen linken Präsidenten, es triumphieren die Konservativen. Doch egal ob links oder rechts, auch auf der Mittelmeerinsel wurden vor allem diejenigen abgestraft, denen die vermeintliche Schuld an der Misere zugeschoben wird.
Dabei kann man den Linken auf Zypern zurecht alle möglichen Vorwürfe machen. Nur an der Bankenkrise, die sich in Nikosia zur Staatskrise auswuchs, trugen sie gewiss keine Schuld. Bei der Wahl ging es auch um die Frage, wem am ehesten zugetraut wurde, einen rettenden Kredit für Banken und Staat an Land zu ziehen. Und da haben die Wähler sich eindeutig für den entschieden, dem die besseren Drähte zu Europa im Allgemeinen und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Besonderen nachgesagt werden, den konservativen Nikos Anastasiades. Traurig aber wahr: sie haben damit recht.
Denn das kleine Zypern benötigt angesichts der grassierenden Geldwäsche-Vorwürfe mehr noch als die anderen Krisenländer Griechenland, Spanien, Portugal und Irland den guten Willen der Mächtigen in Europa. Dabei ist es weitgehend unwichtig, ob die Anschuldigungen nun richtig sind oder nicht. Sie haben ein Eigenleben entwickelt, dass sich nicht mehr dementieren lässt.
ist Co-Leiter des Ressorts tazeins.
In Deutschland sind sie zum Wahlkampfthema geworden, und SPD und Grüne wetteifern darum, Zypern an den Pranger zu stellen. Sie täten besser daran, ein Prinzip zu verfolgen, dass angesichts der europäischen Krise in Vergessenheit zu geraten droht: Solidarität. Denn unabhängig davon, ob ein Rettungskredit für Zypern auch russischen Oligarchen nützlich wäre. Das Geld zu verweigern hieße, die Zyprioten in Armut und Elend zu entlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag