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Kommentar Wahl in TschechienDer Deutschenknacks

Kommentar von Alexandra Mostyn

Warum glauben viele Tschechen an „sudetendeutsche“ Revanchisten – wie Kinder an Knecht Ruprecht? Gewinnt Zuman die Wahl mit einem imaginären Feind?

Die Wahrheit siegt“, steht auf der Standarte des tschechischen Präsidenten. Wenn Miloš Zeman die Präsidentschaftswahlen tatsächlich gewinnt, sollte er den Wahlspruch ändern: „Lez zvitezila“ – „Die Lüge hat gesiegt“.

Ob er oben ankommt oder nicht: Zemans Weg auf die Prager Burg ist mit Lügen gepflastert. Lügen über seinen Gegenkandidaten Karel Schwarzenberg und dessen Familie, Lügen über die eigenen Verdienste. Genau wie auch Václav Klaus ist Zeman ein Symbol des tschechischen Postkommunismus, der keine Moral, sondern nur Pfründe kennt.

Vielleicht ist diese Zeit erst vorbei, wenn die „deutsche Karte“ nicht mehr sticht, wenn sie nicht mehr als Ass im Ärmel gezogen wird, von Politikern, die ihre Felle davonschwimmen sehen – so wie Zeman nach dem Erfolg Schwarzenbergs im ersten Wahlgang. Das könnte schon am Samstag der Fall sein, wenn das Wahlergebnis feststeht.

ALEXANDRA MOSTYN

ist Autorin der taz und beobachtet die Präsidentenwahl aus Prag.

Eines haben die Wahlen auf jeden Fall gezeigt: Der Deutschenknacks scheint in Tschechien weit verbreitet zu sein. Warum sonst glauben große Teile der Gesellschaft 15 Jahre nach Verabschiedung der deutsch-tschechischen Erklärung, die das Thema ein für allemal beendet und den Historikern übergeben hat, noch an „sudetendeutsche“ Revanchisten – wie kleine Kinder an Knecht Ruprecht? Es ist bedauerlich, dass ein imaginärer Feind die gesellschaftliche Diskussion so manipulieren kann.

Vielleicht liegt es ja auch am schlechten Gewissen. Wenn Schwarzenberg, seit über sechs Jahren Außenminister, die sogenannte wilde Vertreibung der Deutschen aus heutiger Sicht als ein Verbrechen an der Menschlichkeit bezeichnet, dann bricht er immer noch ein Tabu. Aber er hat die Wahrheit gesagt. Der Wahlausgang wird zeigen, ob sich das präsidentielle Motto bewährt.

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Auslandskorrespondentin Tschechische Republik
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8 Kommentare

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  • TS
    Thomas Sch.

    an Rudi,

    "Transfer" nennen Sie das ? Die völkerrechtswidrige Vetreibung Hunderttausender nennen Sie "Transfer" ? Haben Sie eine Ahnung wieviel Deutsche in Lager gesteckt wurden ? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Mädchen und Frauen vergewaltigt worden sind ? "Töten auf tschechisch", nie gesehen den Film ? Was haben Sie den für mangelhafte Geschichtskenntnisse ? Und kommen Sie mir bloß nicht : Aber der böse Adolf... Das Hitler ein superschlimme Diktatur mit Verbrechen aller Art hatte, weiß jeder. Das berechtigt aber nicht dazu, nun seinerseits mit demselben Mist zu antworten. Ein Verbrechen rechtfertigt niemals ein anderes. Und so, wie jeder Deutsche gerechterweise zur Verantwortung für Verbrechen herangezogen wurde und wird, hat das genauso jeder andere, ob Tscheche oder sonstwer, zu gegenwärtigen. Und nochwas: Meine Eltern waren 17 Jahre alt, als sie aus dem Sudetenland vertrieben wurden. Mit 17 war ja man ja wohl kaum Kriegsverbrecher.

  • R
    Rudi

    "bezieht sich ja nicht auf Reichsdeutsche, sondern auf die seit Jahrhunderten in Tschechien siedelnde deutsche Minderheit, die nichts mit Nazis und deutschen Verbrechen zu tun hatte."

     

    ... nichts zu tun hatte... das können sie wohl nicht ernst meinen. Die Opfer von Hitler, tapfere Demokraten, widerwillig ins Reich eingegliedert?

     

    Mein lieber Herr, lesen sie erstmals etwas wissenschaftliches und neutrales über die Ereignissen von 1938.

     

    Übrigens - etwa 300 000 Deutschen haben nach der Beendigung des Transfers (1947) in der Tschechoslowakei als aktive Antifaschisten oder aus anderen Gründen geblieben.

  • TS
    Thomas Sch.

    Tja, liebe Angela, mit dem Völkerrecht ist das so eine Sache. Gell, das mögen Sie nicht, wenn die Frau Steinbach daran erinnert, das Recht sich nicht aufteilen läßt, in die, die es verdienen und die, die es Ihrer Meinung nach nicht verdienen ?

    Tja, das Recht gilt für alle. Gleichheit vor dem Gesetz. Schon mal gehört ? Ist eben nicht so schön zu hören, daß der Lieblinsfreund auch so seine Leichen im Keller hat.

  • AM
    Angela M.

    Die Erklärung für den immer noch vorhandenen "Deutschenknacks" ist einfach und kurz und heißt

    Erika Steinbach.

  • TS
    Thomas Sch.

    Hallo Karl-Heinz,

    fordern ? Wieso fordern ? Wer fordert denn hier was ? Sie lassen aber hier so ganz leise im Subtext anklingen, daß man "als Deutscher" hier nichts zu fordern habe. Soso: als Deutscher.

    Kann es sein, daß Sie genau das nicht verstehen ? Daß Gerechtigkeit nicht teilbar ist. Deutsche, Tschechen, Dänen, Boilivianer, Sri Lanker oder Kasachen.... wer auch immer. Mord bleibt Mord. Oder wollen Sie mir gerade mitteilen, daß der eine darf, der andere nicht ? Oder wollen Sie mir mitteilen, daß à la alttestamentarischer Blutrache ein Verbrechen das andere legitimiert ? Na mal raus damit. Ich bin gespannt.

  • K
    Karl-Heinz

    @ Thomas Sch.

     

    Es ist natuerlich einfach so etwas zu fordern, wenn man Deutscher ist.

  • H
    Harald

    Der Deutschenknacks in Tschechien bezieht sich nicht von ungefähr auf sein sprachliches Vorbild, den Judenknacks.

     

    So ein Knacks entsteht, wo keine einigermaßen adäquate Aufarbeitung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen von großen Teilen der Bevölkerung, stattgefunden hat. Gemeinsames Merkmal ist die Aneignung des Vermögens der Ermordeten und die Verschleppung der Überlebenden zu Sklavendiensten.

     

    " ... die sogenannte wilde Vertreibung der Deutschen" bezieht sich ja nicht auf Reichsdeutsche, sondern auf die seit Jahrhunderten in Tschechien siedelnde deutsche Minderheit, die nichts mit Nazis und deutschen Verbrechen zu tun hatte.

     

    Was an dieser Volksgruppe nach! Kriegsende exerziert wurde, kann mit Fug und Recht als Magdeburgisierung bezeichnet werden und gehört mit zu dem am schwerst erträglichen, was die barbarischsten Greuel der Weltgeschichte zu berichten haben.

     

    Weder in Deutschland noch in Tschechien gab es ein wirkliches Interesse an Aufklärung und Aufarbeitung. Hätte dies doch, neben der moralischen Schuld, zu kaum zu beziffernden Reparationsansprüchen geführt. So war der Grundstein des Knacks gemauert.

  • TS
    Thomas Sch.

    Gerechtigkeit ist nicht teilbar. Es kann doch wohl für einen normal denkenden Menschen nicht sein, daß völkerrechtswidrige Taten, die von Deutschen verübt wurden, angeklagt und verurteilt wurden und werden, völkerrechtswidrige Taten, die von Tschechen verübt worden sind, dagegen nicht. Wir sind doch hier nicht im archaischen Blutrecht, wo eine begangene Untat die des Gegners legitimiert.

    Daß der Herr Schwarzenberg nun auch -Zeit wird´s langsam- mal die Verbrechen der sonst nicht üblichen Verdächtigen benenn, ist ein großer zivilisatorischer Fortschritt. Und kein "Knacks". Was bitteschön ist denn nun daran so schlimm, daß jeder (in Worten: JEDER) Missetäter sich zu bekennen hat ? Mord verjährt nicht. Egal wer da wen abgemurkst hat.