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Kommentar Wahl in SchwedenDer Frust hält sich in Grenzen

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Bei der Parlamentswahl in Schweden ist der große Knall ausgeblieben. 82,4 Prozent haben die Rechtspopulisten nicht gewählt.

Sieht aus wie moderne Kunst: Eine Stockholmerin macht in der „Wahlkabine“ ihr Kreuz Foto: dpa

I n Schweden ist der politische Erdrutsch, den Umfragen bis kurz vor der Wahl vorhergesagt hatten, ausgeblieben. Allerdings setzte sich die Tendenz der letzten beiden Wahlen fort: Die beiden großen „Volks“-Parteien, Sozialdemokraten und Konservative, die in den vergangenen Jahrzehnten ausschließlich abwechselnd die Ministerpräsidenten gestellt haben, schrumpfen weiter. Und auch mit der Etablierung einer Rechtsaußenpartei als drittstärkster Kraft folgt Schweden der Entwicklung in anderen nordischen und europäischen Ländern.

Wenn die Schwedendemokraten bei weitem nicht die starken Zugewinne erzielen konnten, nach denen es lange ausgesehen hatte, dann offenbar weil sich sehr viele WählerInnen diesmal erst in letzter Minute entschieden hatten und sich anscheinend von zahlreichen Initiativen und Aufrufen beeindrucken ließen. Die hatten vor der Bedrohung der Demokratie durch eine Partei gewarnt, die ihren rassistischen Kern weder verstecken kann noch will und offen mit dem autoritären Modell eines Ungarn unter Viktor Orbán sympathisiert.

Die meisten AnalytikerInnen sind sich einig, dass es weniger Schwedens Migrationspolitik war als eine Stimmung genereller Unzufriedenheit und diffuser Unsicherheit, von der die Partei profitieren konnte. Sie hat ihre WählerInnen auch vorwiegend gar nicht in den Großstädten. Also dort, wo die Integration der Menschen, die Schweden bis 2015 in einem Umfang wie kein anderes EU-Land aufgenommen hat, die augenfälligsten Probleme verursacht. Sondern: im ländlichen Schweden. Da, wo die Menschen sich abgehängt fühlen, wo die Folgen der neoliberalen „Reformpolitik“, der Privatisierung öffentlicher Aufgaben und des Sozialabbaus das Alltagsleben am spürbarsten negativ beeinflussen.

Die „Altparteien“, wie die Schwedendemokraten die übrigen sieben Reichstagsparteien nennen, haben nun die Chance, es besser als bislang zu machen und dieser Partei nicht noch mehr WählerInnen zuzutreiben. Wenn sie sich in den kommenden Wochen an der gar nicht so einfachen Aufgabe versuchen werden, aus dem Wählerwillen eine Regierung zusammenzupuzzeln, sollten sie vor allem eines vor Augen haben: 82,4 Prozent der SchwedInnen haben die Schwedendemokraten nicht gewählt. Es besteht keinerlei Grund, dieser Partei auch nur den geringsten Einfluss auf die nächste Regierung einzuräumen.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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4 Kommentare

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  • "...diffuser Unsicherheit..."



    Also wenn sich die Schießereien häufen und in südschwedischen Städten wie Malmö in einer Nacht fast 100 Autos angezündet werden, dann ist daran nichts "diffus"

  • Ich bin erleichtert , das die Rechten es nicht geschafft haben !

    Trotz Angstmache der Medien !

    Die Schweden haben doch ihr Gehirn eingeschaltet !

    Hoffentlich tun wir es auch bei der nächsten Wahl !

  • 28,4 % für die Sozialdemokraten, das schlechteste Ergebnis seit 1911. Grosser Jubel bei der Wahlparty. Braun wählen 17,6 Prozent. Alles gut, der Frust hält sich in Grenzen.....

  • Zitat: „Es besteht keinerlei Grund, dieser Partei auch nur den geringsten Einfluss auf die nächste Regierung einzuräumen.“

    Irrtum. Es gibt (mindestens) einen (traurigen) Grund, den Schweden-“Demokraten“ Einfluss auf die nächste Regierung einzuräumen. Und dieser Grund besteht darin, dass keine der übrigen sieben Reichstagsparteien auch nur annähernd so etwas wie eine eigene Mehrheit auf die Beine bringt, weil alle nur noch Klientelpolitik betreiben wollen.

    Der Abstand zwischen den beiden „Blöcken“ ist mit grade mal einem (als Zahl: 1) Sitz denkbar gering. Das schafft Unsicherheitsgefühle bei den Politikern. Mit Sicherheit also werden sämtliche Parteispitzen auf genau jene 17,6% der wahlberechtigten Schwed*innen schielen, die ihr Kreuz (noch) nicht da gemacht haben, wo sie es ihrer Ansicht nach hätten machen müssen. Prinzip Hoffnung, heißt das Phänomen.

    Es gibt, so weit ich sehe, in ganz Schweden und bis weit drüber hinaus niemanden, der verhindern könnte (oder auch nur verhindern wollte), dass die verantwortlichen Politiker – auch als „Entscheidungsträger“ bezeichnet – das tun, was sie nicht lassen wollen, weil sie auf andere Gedanken mangels Intelligenz erst gar nicht kommen. („Das haben wir schon immer so gemacht!“) Es wird also genau so werden, wie es werden muss.

    Dieses Prinzip heißt: Murphys Gesetz.