Kommentar Wahl in Rheinland-Pfalz: Beck again
SPD und Grüne werden Rheinland-Pfalz gemeinsam regieren und Kurt Beck bleibt Ministerpräsident: Man muss die Provinz im Südwesten diesmal wirklich loben. Uneingeschränkt.
N ach Fukushima werden SPD und Grüne Rheinland-Pfalz gemeinsam regieren - bis wenigstens 2016: Eine Koalition der Vernunft, auch gegen den atomaren Wahnsinn. Kurt Beck (SPD) bleibt Ministerpräsident.
Wegen der grauslichen Affäre um das irrsinnig teure, überdimensionierte Spaßzentrum am Nürburgring wurde er von den Wählerinnen und Wählern zwar abgestraft. Doch das Wahlvolk zwischen Pfalz, Mosel und Rhein gab dem südpfälzischen Platzhirsch am Ende doch wieder das Plazet. Wenn auch nur knapp vor der 24 Jahre jüngeren Herausforderin Julia Klöckner von der CDU.
Schon vor der Wahl hatten die spätestens seit dem Atomdesaster in Japan alleine Beck zugewandten Grünen gelästert, "dass der Rhein gefriert, wenn die Frau Klöckner lächelt". Tatsächlich schaffte es Beck eben eher, "Volksnähe zu demonstrieren". Und auch an der Skandalfront konnte Klöckner ihren bärtigen Kontrahenten nicht entscheidend bedrängen. Zu schwer wiegt die Finanzaffäre ihrer eigenen Altvorderen, die deren zögerliche Aufarbeitung dann feige alleine ihrer jungen Nachfolgerin überließen. Und dann fiel auch noch der radioaktive Hard Rain auf die Welt.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT ist Rheinland-Pfalz-Korrespondent der taz.
Sicher: Junge Aufsteiger und die elitäre Kulturbourgeoisie in den wenigen größeren Städten konnte die frühere Weinkönigin bei diversen Riesling- und Spätburgunderverkostungen mit ihrer Eloquenz beeindrucken und dafür auch schnell auf Dialekt umschalten. Beck aber ist die Inkarnation von Dialekt, wobei nichts an ihm dialektisch ist: Gelebte Provinz eben, und dafür lieben sie ihn. Nach der jetzt beginnenden Legislaturperiode wird Beck ein Vierteljahrhundert lang Ministerpräsident gewesen sein. Wo sonst gibt es das noch? Nirgendwo.
Klöckners Chance kommt vielleicht in fünf Jahren, wenn Beck dann in Rente mit 67 (Erfinder: SPD) geht. Das Allerschönste am Wahlausgang in Rheinland-Pfalz aber ist die Atomisierung der FDP im "Brüderleländchen". Man muss die Provinz im Südwesten diesmal wirklich loben. Uneingeschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett