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Kommentar Wahl in KärntenKärntner werden erwachsen

Ralf Leonhard
Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard und Ralf Leonhard

Im Haiderland hat endlich Rot-Grün gewonnen. Das bedeutet einen erfreulichen und einschneidenden Kulturwandel. Doch es bleibt eine marode Wirtschaft.

Medientauglichkeit wird ihm nicht nachgesagt. Aber die Siegergeste sitzt: Peter Kaiser. Bild: dpa

K ärnten hat gewählt und ganz Österreich seufzte auf vor Erleichterung. Offenkundig sind die KärnterInnen nicht mehr bereit, sich weiterhin von einer Bande selbstherrlicher Abenteurer für blöd verkaufen zu lassen und haben den bislang regierenden Freiheitlichen (FPK) eine krachende Niederlage beschert.

Die von Jörg Haider eingeführte Politik von Brot und Spielen hat ein politisch korrumpiertes System und vor allem ein Rekorddefizit hinterlassen. Fast zehn Jahre war es Haider gelungen, durch flächendeckende Spaßkultur und seinen schlitzohrigen Charme zu verschleiern, dass Kärnten wirtschaftlich vor die Hunde ging. Nach seinem Tod im Herbst 2008 wurde diese Politik fortgesetzt – allerdings ohne das Haidersche Charisma. Deswegen konnte die Justiz auch beginnen, die Eiterblasen aufzustechen.

Symptomatisch ist, dass jetzt mit Peter Kaiser von der SPÖ ein Mann gewonnen hat, der charakterlich das Gegenteil von Jörg Haider darstellt. Dem Intellektuellen wird jedes demagogische Talent abgesprochen, ja auch jede Medientauglichkeit.

Bild: privat
Ralf Leonhard

ist Österreich-Korrespondent der taz.

Sein im Wahlkampf gefahrener Paarlauf mit den Grünen, die sich um Aufklärung und Transparenz verdient gemacht haben, lässt Prognosen für den künftigen Regierungskurs zu. Statt Eventkultur sollen Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit im Vordergrund stehen - Probleme, die die FPK verleugnet hat. Ob das neue Team dafür die Rezepte hat, muss sich angesichts des geringen wirtschaftspolitischen Spielraums erst zeigen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Kassen noch leerer sind, als man bisher weiss. Und wenn schnelle Erfolge ausbleiben, zeigt sich das Wahlvolk bekanntlich launisch.

Ergebnisse

In Kärnten lag die Wahlbeteiligung bei 71,4 Prozent, die nach dem vorläufigem Endergebnis ihre Stimmen wie folgt verteilen: Nach einem Plus von 8,4 Punkten wird die SPÖ mit 37,14 Prozent den künftigen Landeshauptmann stellen. Auf Platz zwei liegt mit 17,1 Prozent die FPK. Die ÖVP fiel um 2,6 Punkte auf 14,2 Prozent zurück. Die Grünen verbesserten sich um 6,7 Punkte auf 11,8 Prozent, Stronach holte 11,3. Die FPK-Abspaltpartei BZÖ kommt mit 6,5 Prozent knapp in den Landtag. (dpa)

Jedenfalls, und das ist der eigentliche Kulturwandel, ist diese SPÖ, die nach 24 Jahren den Landeshauptmann zurückerobert hat, ganz eindeutig nicht mehr die Partei, die jahrelang die rechtslastigen Tendenzen der Kärntner bedient hatte und in der sich einst Landeshauptmann Leopold Wagner rühmen durfte, „ein hochgradiger Hitlerjunge“ gewesen zu sein.

Kärnten ist politisch gereift. Dennoch hat mehr als ein Drittel mit FPK, BZÖ und dem neuen Team Stronach vormoderne Parteien gewählt, die die messianische Karte spielen oder ihre Legitimität noch aus Haiders zweifelhaftem Treiben ableiten. Wenn man noch die Haider-Fans dazuzählt, die diesmal zu Hause blieben, liegt das immer noch weit über dem Schnitt österreichischer Normalität.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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10 Kommentare

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  • F
    Fritzle

    Zwei Überlegungen zum Text:

     

    1. Bis 1999 hatte die SPÖ die Mehrheit. Waren die Kärtner damals bereits erwachsen oder kam der erst kürzlich?

     

    2. Ist dem Autor bekannt, dass Kärtnen kein System wie in einem deutschen Bundesland hat, wo 2 oder mehr Parteien eine Koalition formen, sondern im Prinzip alle Parteien an der Regierung beteiligt sind?

  • PS
    Peter Schwanen

    Manchmal weiß ich echt nicht ob ich lachen oder nur den Kopft schütteln soll.

     

    Eine solche Selbstgerichtigkeit findet sich wirklich selten in einem Artikel, egal in welcher Zeitung.

     

    Es lohnt sich fast garnicht auf den Artikel inhaltlich einzugehen, er kommentiert sich eigentlich von selbst.

     

    Es ist nur erstaunlich, wie Linke stets und mit aufgeblähtem Brustkorb von Demokratie sprechen, dann aber Menschen die Vernunft absprechen, wenn sie nicht exakt entsprechend der linksgrünen Weltsicht handeln.

     

    Peinlich. Lächerlich. Abstoßend. Undemokratisch. Kurzum: Links.

  • T
    tommy

    @Schuhe des Fischers

     

    Ich bin kein Haider-Freund (der hat ja anscheinend auch allerlei mehr oder weniger kriminelle Machenschaften, bis hin zu freundschaftlichen Kontakten zu Saddam Hussein, zu verantworten gehabt), aber angesichts der Bilanz rot-grüner Regierungen in Deutschland halte ich das arrogante Gerede von "erwachsenen" Wahlentscheidungen dann doch für etwas vermessen.

  • SD
    Schuhe des Fischers

    Erstaunlich, wie viele Haider-Freunde taz lesen...

     

    @Mediendiktat: Schonmal was von einem "Kommentar" gehört?

  • T
    tommy

    Rot-Grün zu wählen ist also "erwachsen"?

    Bei manchen Artikeln der taz frage ich mich wirklich, ob das nicht doch Satire sein soll - so selbstgerecht und selbstzufrieden (und das auch noch ohne erkennbaren Grund) kann man doch nicht wirklich sein. Aber ich fürchte Ihr meint das alles wirklich ernst.

  • F
    FaktenStattFiktion

    "Vormoderne Parteien" sind Parteien, welche sich zuerst um das Wohl der Bürger und erst danach um das Wohl von Rumänen und Bulgaren kümmern?

     

    Nur mal so als Frage...

  • S
    Schluchti

    Die Kärntner werden sich noch wundern, wenn in das schöne Kärnten Horden von Bulgaren und Rumänen einfallen!

    Dann werden sie wieder nach einem Haider lechzen...

  • M
    Montherlant

    Ach ist das herrlich, wenn man so von oben herab konstatieren kann, daß sich andere so langsam möglicherweise an das eigene ach so hohe Niveau herantasten. Die Niederlage der FP in Kärnten ist nicht auf ein vermeintliches Erwachsenwerden der Kärntner zurückzuführen - jeder, der dort zur Wahl geht, ist selbstverständllich erwachsen - sondern eher auf einen äußerst dubiosen Korruptions- und Skandalklüngel. Darauf hatten die Wähler verständlicherweise keine Lust mehr. Das hat aber nichts mit der angeblich falschen Politik der Freiheitlichen zu tun, sondern zeigt, daß Parteimauscheleien generell abgelehnt werden. Wenn die Führung des Landesverbandes sich dort erneuert hat, wird die FPK auch wieder neue Erfolge einfahren können. Die anderen Parteien haben dagegen in Österreich ja eher abgewirtschaftet. Es ist ja immerhin auch in Kärnten so, daß - wie Leonhard zerknirscht feststellt - über ein Drittel alternativ zum selbsternannten "Alternativlos-Kartell" aus SPÖ und ÖVP gewählt haben. Auch Kärnten ist also noch nicht verloren.

  • M
    Mediendiktat

    Neutrale Berichterstattung die keinen wertenen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben soll, muss man wohl leider woanders suchen.

    Alleine die Überschrift!!!

  • R
    reblek

    "Im Haiderland hat endlich Rot-Grün gewonnen. Das bedeutet einen erfreulichen und einschneidenden Kulturwandel." - Ach ja, vielleicht so wie 1998 in D unter Schröderfischer? Wandel? Kultur? Glücklicherweise kann die Regierung von Kärnten keinen Krieg nach innen und außen führen, hoffentlich.