Kommentar Wahl in Georgien: Saakaschwilis zwiespältiges Erbe

Der Wahlausgang in Georgien ist wenig überraschend. Wie sich aber der Machtwechsel auf eine mögliche Demokratisierung auswirkt, ist ungewiss.

Mit krauser Stirn: Georgiens neuer Präsident Giorgi Margwelaschwili. Bild: dpa

Die Präsidentenwahl in Georgien ist bemerkenswert. Nicht weil der Wunschkandidat der Regierung, Giorgi Margwelaschwili, das Rennen klar für sich entscheiden konnte, sondern wegen des Umstandes, dass der Machtwechsel, der die zehnjährige Ära von Micheil Saakaschwili beendet, so unspektakulär und friedlich über die Bühne ging.

Das ist nicht selbstverständlich in einem Land, in dem der bisherige Staatschef 2008 gegen Russland wegen der abtrünnigen Region Südossetien Krieg führte und durch seinen autoritären Regierungsstil Hoffnungen auf eine wirkliche Demokratisierung tief enttäuscht hat.

Die Wahl stellt aber auch in anderer Hinsicht eine Zäsur dar. Der neue erste Mann im Staat wird wegen einer Verfassungsänderung mit deutlich weniger Vollmachten ausgestattet sein als sein Vorgänger. Der Übergang zu einer parlamentarischen Demokratie ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Denn von einem funktionierenden Parteiensystem im westlichen Sinn ist Georgien weit entfernt. Zudem ist unklar, wer dem jetzigen Ministerpräsidenten Bidsina Iwanischwili, der seinen Rückzug angekündigt hat, im Amt nachfolgen wird.

Die Wahl des neuen Regierungschefs dürfte maßgeblich darüber entscheiden, welchen Weg die Kaukasusrepublik einschlagen wird. Saakaschwilis Erbe ist zwiespältig. Zwar machen, anders als noch 2012, derzeit keine Horrovideos über die Folter von Strafgefangenen die Runde.

Mehrere Exminister und ein ehemaliger Regierungschef jedoch sind in Haft. Auch Saakaschwili selbst könnte sich demnächst wegen Korruption auf der Anklagebank wiederfinden. Das wirft Fragen auf, nicht zuletzt die nach dem Umgang mit den politischen Gegnern der Partei „Georgischer Traum“. Die neue Regierung sollte solche Bedenken ausräumen, und zwar schnell.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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