Kommentar Wahl im Saarland: Der Lafontaine-Effekt
Die Landtagswahl im Saarland verdient besondere Aufmerksamkeit – auch jenseits der Landesgrenzen. Das liegt an einer Person.
E ine Landtagswahl im Saarland gehört nicht zu den politischen Topereignissen. Dafür ist das winzige Bundesland, in dem weniger Menschen leben als in Köln, zu unbedeutend. Trefflich ließe sich darüber streiten, ob das kleinste deutsche Flächenland nicht einfach Rheinland-Pfalz zugeschlagen werden sollte. Trotzdem verdient diesmal die Wahl besondere Aufmerksamkeit auch jenseits der Landesgrenzen. Das liegt an einer Person: Oskar Lafontaine.
Am Sonntag könnte sich für den prominentesten Saarländer ein Kreis schließen. Sein Rücktritt als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister kostete die SPD 1999 die Macht an der Saar – und sein Parteiaustritt 2005 läutete das Ende der Schröder-Ära im Bund ein. Jetzt kann seine alte Partei davon träumen, mit Hilfe Lafontaines das MinisterpräsidentInnenamt in Saarbrücken zurückzuerobern.
Einen größeren Dienst könnte der heutige Linkspartei-Spitzenkandidat in der Schlusskurve seiner politischen Karriere der SPD nicht erweisen. Denn ein Regierungswechsel im Saarland, die Befreiung aus der dortigen Großen Koalition, wäre für sie und ihren neuen Hoffnungsträger Martin Schulz ein idealer Start ins Bundestagswahljahr.
Glaubt man den letzten Umfragen, stehen die Aussichten auf eine rot-rote Mehrheit nicht schlecht. Inhaltlich würde es schon passen: Nirgendwo sonst ist die Linkspartei ideologisch derartig – im Guten wie im Schlechten – traditionell sozialdemokratisch geprägt wie im Saarland. Inzwischen scheinen aber auch die Wunden ausreichend vernarbt zu sein, die Lafontaine und die SPD sich gegenseitig geschlagen haben. Das ist der Unterschied zu den Saar-Wahlen 2009 und 2012, nach denen es noch bei beiden an der ernsthaften Bereitschaft gefehlt hatte, gemeinsam zu regieren. Diesmal wollen sie die Chance nutzen. Es wäre ein Novum in einem westdeutschen Bundesland.
Damit könnte der Lafontaine-Effekt helfen, den Schulz-Effekt am Leben zu halten. Denn der funktioniert nur, solange es eine realistisch erscheinende Aussicht auf einen Politikwechsel gibt. Ein rot-rotes Bündnis könnte eine Signalwirkung auch für Berlin haben, auch wenn dort selbstverständlich noch die Grünen dazukommen müssten. Aber es würde demonstrieren, dass es sich mit dem Verhältnis von SPD und Linkspartei möglicherweise ja wie mit dem Zusammenleben von Rheinländern und Westfalen verhält: Es ist schwer, aber es geht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Linke gegen AfD und BSW
Showdown in Lichtenberg
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten