Kommentar Wachstums: Jenseits von Angebot und Nachfrage
Die grundsätzliche Frage ist bisher noch nicht gestellt worden: Warum müssen wir überhaupt das Wachstum beschleunigen?
D er Bundestag hat am Freitag das Wachstumsbeschleunigungsgesetz verabschiedet. An diesem Dokument schwarz-gelber Klientelpolitik wurde zu Recht vieles kritisiert. Doch eine grundsätzliche Frage blieb bislang ungestellt: Warum müssen wir überhaupt das Wachstum beschleunigen?
Nur eine stetig wachsende Wirtschaft, heißt es, sichere Reichtum, Arbeitsplätze und sozialen Frieden. Das alles sieht man bedroht, wenn die Wirtschaftsleistung schrumpft, so wie in diesem Jahr geschehen. Unser System ist auf ewiges Wachstum angelegt. Das vorgebliche Ziel: Glück und Wohlstand für alle.
Doch das ist mit starrem Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht zu erreichen. Denn wir zahlen für jeden Prozentpunkt Wachstum. Mit Lebenszeit, mit weniger Freizeit und Familienleben, mit gesundheitsschädlichem Stress, mit Rohstoffen und Naturvermögen.
Der Kampf gegen den Klimawandel hat zwar dazu geführt, dass die Erdatmosphäre nicht mehr kostenlos als Deponie für CO2 genutzt werden kann. Doch auch hier gilt wieder das gleiche marktwirtschaftliche Spiel von Angebot und Nachfrage und der Steigerung von Renditen. Experten warnen bereits vor kommenden Spekulationsblasen im Emissionshandel. Und auch Windparks und Sonnenkraftwerke verbrauchen Rohstoffe und Landschaft. Die Stärkung der Green Economy ist ein erster und notwendiger Schritt. Aber es ist wenig gewonnen, wenn der Wachstumsfetisch lediglich ein grünes Mäntelchen bekommt.
Es muss also Schluss sein mit dem statistischen Zerrblick. Das BIP allein ist nicht aussagekräftig. Werden Indikatoren für Naturverbrauch, Wohlstandsverteilung und für das Wohlbefinden einer gesättigten Volkswirtschaft eingerechnet, löst sich das Glücksversprechen der Wachstumsprediger in nichts auf.
Statt Beschleunigungsgesetzen brauchen wir steuer- und ordnungspolitische Bremsklötze für die Wirtschaft. Nicht nur um Natur und Klima zu schützen, sondern auch um Freiräume zu schaffen. Denn die sind für ein glückliches Leben unabdingbar.
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