Kommentar WTO: Doha-Runde im Leerlauf
Die WTO-Verhandlungen werden scheitern. Und das ist auch gut so.
Andreas Zumach ist taz-Korrespondent bei den UN in Genf
Auch die derzeitigen Genfer Verhandlungen der WTO zur weiteren "Liberalisierung" des Welthandels werden wahrscheinlich kein Ergebnis erbringen. Sollte wider Erwarten doch eine Einigung erzielt werden, hätte diese nicht lange Bestand. Denn die Bush-Administration verhandelt in Genf ohne Mandat des Kongresses und mit Positionen, die von einer überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten beider Parteien abgelehnt werden.
Das wird sich auch unter Bushs Nachfolger nicht ändern. Der Kongress steht unter wachsendem Druck einer Bevölkerung, die die Auswirkungen der letzten 15 Jahre globaler, regionaler und bilateraler Freihandelspolitik Washingtons zunehmend als negativ wahrnimmt. Immobilienkrise, Bankencrashs, Stagnation und Rückgang der Realeinkommen sowie der Verlust von 3 Millionen Industriearbeiterjobs und von 300.000 Familienfarmen führen bei der Bevölkerung der (noch) stärksten Volkswirtschaft der Welt inzwischen zu mehrheitlicher Ablehnung von noch mehr Freihandel und neoliberaler Globalisierung.
Die BewohnerInnen anderer Industriestaaten des Nordens machen ähnliche Erfahrungen. Die Menschen in den meisten Ländern des Südens bekommen die negativen Auswirkungen der neoliberalen Globalisierung allerdings schon sehr viel länger und in existenziell noch sehr viel bedrohlicherer Weise zu spüren. Die aktuelle Nahrungsmittelkrise, die den Hunger vor allem in Afrika und Asien weiter verschärft, ist nur ein Beispiel.
Eine Ausweitung der globalen Handelsliberalisierung bei Agrargütern, Industrieprodukten und Dienstleistungen, über die derzeit noch in Genf verhandelt wird, würde die globalen Hunger-, Klima-, Energie- und Finanzkrisen nicht etwa entschärfen oder gar überwinden, wie beim jüngsten G-8-Gipfel wider besseres Wissen verkündet wurde, sondern noch weiter eskalieren. Ein ergebnisloses Ende der "Doha-Runde", die 2001 eingeläutet wurde, wäre daher kein Scheitern. Es böte vielmehr die Chance für einen längst überfälligen Paradigmenwechsel in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik.
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