Kommentar WHO und Zika-Virus: Balanceakt einer Geschwächten
Mal aktionistisch, mal träge: Um auf Krisen angemessen reagieren zu können, ist die WHO viel zu schlecht ausgestattet.
F ast kann einem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) leidtun. Wie immer sie sich im Umgang mit dem Zika-Virus verhält, am Ende wird sie dafür massiv gescholten werden. Wissenschaftler wissen derzeit zu wenig über die Übertragungswege des Virus und seine schädigenden Wirkungen, etwa auf Ungeborene im Mutterleib, als dass irgendwer seriöse und belastbare Aussagen über die tatsächlichen Gefahren treffen könnte.
Die Bilder der brasilianischen Babys mit Schrumpfköpfen sind dramatisch und lösen starke Gefühle aus. Dass die Missbildungen indes auf Zika zurückzuführen seien, ist im Moment – so unbefriedigend dieses Nichtwissen auch ist – nur ein Verdacht. Mehr Forschung, so viel steht fest, tut not. Die Frage aber, wann der richtige Zeitpunkt ist, Alarm zu schlagen, sie bleibt ein Balanceakt.
Die WHO steht damit vor einem Dilemma: Wartet sie jetzt ab und erhält in einigen Monaten den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Mücken tatsächlich Tausende Babys um ein gesundes Leben gebracht haben, dann handelt sie sich den Vorwurf ein, nach Ebola nun schon zum zweiten Mal binnen eineinhalb Jahren in ihrer Gefahreneinschätzung grandios versagt zu haben. Davor hat die WHO Angst.
Auch deswegen hat sie bei Zika überraschend früh entschieden, den globalen Gesundheitsnotstand auszurufen, die allerhöchste Warnstufe. Dass dieses Vorpreschen aktionistisch anmutet und zur globalen Peinlichkeit werden kann, haben zuletzt die Vogel- und die Schweinegrippe gezeigt.
Dass die WHO bei Zika nur verlieren kann, liegt auch daran, dass die Organisation über Jahre, übrigens auch von ihren reichen Mitgliedstaaten, bewusst unterfinanziert und strukturell geschwächt wurde. Um Epidemien frühzeitig erforschen und einschätzen zu können, muss sie aber Ressourcen sofort mobilisieren können. Zudem braucht sie Personal vor Ort, um Ausbrüche zu erkennen. An beidem mangelt es – nicht erst seit Zika.
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