Kommentar Vorwahlen in den USA: Gier ist nicht mehr geil
Der Sieg Romneys ist nicht mehr so sicher. Sein Rivale Gingrich bezeichnet ihn als Heuschreckenkapitalisten. Kapitalismuskritik im Herzland der kapitalistischen Ideologie? Taktik.
J etzt wird es doch wieder spannend. Kurz vor den Vorwahlen in South Carolina ist der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug des Multimillionärs Mitt Romney nicht mehr so sicher. In den jüngsten Umfragen liegt er plötzlich wieder gleichauf mit dem ehemaligen Repräsentantenhaussprecher Newt Gingrich - und das noch vor der Entscheidung des texanischen Gouverneurs Rick Perry, seine Kandidatur aufzugeben und stattdessen Gingrich zu unterstützen.
Offenbar ist Gingrichs Strategie aufgegangen, Romney als raffgierigen Heuschreckenkapitalisten zu zeichnen. In dieser Woche kam dann das Thema Steuern dazu: Er zahle wohl so rund 15 Prozent, sagte Romney. Der Großteil der US-Amerikaner zahlt rund das Doppelte.
So ist die republikanische Kandidatenkür unversehens zu einem Lehrstück geworden. Da haben sich Großfinanciers wie die Koch-Brüder jahrelang darum bemüht, die Tea Party zu einer Art Basisbewegung für die Interessen der Superreichen zu machen - und plötzlich meint die republikanische Basis mit ihrer Kritik am "Establishment" nicht mehr nur Washington. Nicht einmal ein Dreivierteljahr nach Entstehen der Occupy-Bewegung finden immer mehr US-AmerikanerInnen die ungleiche Einkommensverteilung ein wichtiges Thema. Kapitalismuskritik im Herzland der kapitalistischen Ideologie?
Für Newt Gingrich ist das alles reine Taktik. Er sah seine Chancen schwinden und attackierte Romneys offenkundigste Angriffsfläche. Dass das aber innerhalb der Republikanischen Partei Resonanz findet, zeigt einen Wandel an. Jetzt müssten die Republikaner nur noch entsprechende Regulierungen fordern, statt sie als jobvernichtenden Übergriff auf die freie Marktwirtschaft zu geißeln. Aber so weit wird es nicht kommen. Da sind die Romneys vor. Und die Gingrichs.
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