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Kommentar Vorwahlen in FloridaViel Spektakel, wenig Inhalt

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Das, was die Republikaner in ihren Vorwahlen abliefern, hat wenig von einem demokratischen Prozess. Es ist eine Schlammschlacht.

D ie Vorwahlen der Republikaner im US-Bundesstaat Florida haben einen klaren Wahlsieg für Mitt Romney ergeben. Newt Gingrich ist weit abgeschlagen auf einem zweiten Platz. Rick Santorum und Ron Paul bleiben trotzdem weiter im Rennen. Gähn!

Der mediale Zirkus, den die Republikaner bis zum Sommer in noch 46 weiteren Bundesstaaten liefern werden, mag auf den ersten Blick demokratisch wirken. Tatsächlich ist er vor allem eine Schlammschlacht. Eine Auseinandersetzung, bei der fragwürdige Tugenden in den Vordergrund rücken: Wer kann am tiefsten schlagen? Wer ist der intriganteste? Wessen Berater finden die schmutzigsten Geschichten in der Vergangenheit der anderen? Und vor allem, wer hat das meiste Geld?

In den USA besteht kein Mangel an Themen. Das Land verzeichnet Rekorde: an Armut, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Es hat elf Millionen Bürger, die offiziell "illegal" sind. Es befindet sich seit mehr als einem Jahrzehnt ununterbrochen in Kriegen. Die politische Glaubwürdigkeit beider großen Parteien und des Kongresses in Washington ist tief erschüttert.

Bild: Manfred Bartsch
DOROTHEA HAHN

ist Korrespondentin der taz in den USA.

All das schreit nach Ideen und politischen Vorschlägen. Doch statt diese zu entwickeln und zu konfrontieren, dreschen die beiden Spitzenmänner Romney und Gingrich jeweils aufeinander und beide gemeinsam auf US-Präsident Barack Obama ein.

Bei bislang 19 Fernsehdebatten und vier Vorwahlen (Primaries) in vier Bundesstaaten haben sie der Öffentlichkeit allenfalls ein Bild davon gegeben, wie sie im Rampenlicht und unter Stress agieren - obwohl auch das vor allem durch die wechselnden Vorgaben ihrer PR-Berater bestimmt ist. Doch Lösungsansätze für die konkreten Probleme des Landes liefern sie nicht.

Politisch sind sie sich nah

Ein Grund für diese Oberflächlichkeit mag sein, dass die vier Rivalen sich politisch viel näher sind, als der Zirkus glauben macht. Während Millionen US-AmerikanerInnen am Rande des Abgrunds balancieren, schicken sich diese vier an, die Lage der Krisengewinner zu verbessern: Sie wollen die Steuern für Spitzenverdiener weiter senken, die Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze aushölen und sie wollen die Rudimente von Sozialstaat demontieren.

Der einzige Haushaltsposten, den drei von ihnen aufstocken wollen, sind die Militärausgaben. Nur einer - und damit hebt Ron Paul sich ganz allein ab - will die US-Truppen aus dem Rest der Welt abziehen.

Während die Kandidaten sich mit Schlamm bewerfen und die Medien darüber berichten, als handele es sich um einen sportlichen Wettkampf, hat ein Teil der republikanischen Basis eine andere Konsequenz gezogen: Sie bleibt dem Spektakel fern. Schon Anfang Januar in Iowa blieb die erwartete Mobilisierung aus. In Florida, am Dienstag, kamen 100.000 WählerInnen weniger als vier Jahre zuvor.

Wenn sich nicht einmal die republikanische Basis für den Zirkus interessiert, darf der Rest der Welt sich getrost zurücklehnen und die vier allein machen lassen. Wenn die Partei im Sommer ihren offiziellen Kandidaten auswählt, bleibt immer noch Zeit genug, ihn kennenzulernen. Und vielleicht wird der Auserkorene in der Konfrontation mit Barack Obama auch endlich zu einer inhaltlichen Debatte finden.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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5 Kommentare

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  • S
    suswe

    Wenn die Amis nicht bald zu Obamas Realismus zurückfinden, sind sie in fünf Jahren am Ende.

  • W
    Waage

    Mc Cain wäre damals noch eine Alternative gewesen.

    Wäre interessant gewesen, ob sich die "Tea Party" ebenso gebildet hätte wenn den Bushs ein "gemäßigter" Konservativer gefolgt wäre.

    U.U. hätte er auch die Hinterlassenschaften Bush Babys wie z.B. Guantanamo besser abräumen und das Gesundheitssystem mit weniger ideologischen Widerstand reformieren können.

     

    Was eine gemässigte Konservative an der Spitze des Staates wert ist kann in Deutschland bestaunt werden:

    seit drei Jahren keine neue Kriegsbeteiligung,

    massiver Ausbau der EE und Abschalten etlicher Akw, Abschaffung der Wehrpflicht, Ausweitung des Schonvermögens für Alg 2 EmpfängerInnen etc p.p.

     

    Die "rechte Intelligenz" in WELT, FAZ und Achse des Guten schreit derweil Zeter und Mordio.

     

    Schade, dass Arnold Schwarzenegger nicht für die US-Republikaner antritt, der hätte meine Stimme!

    Die jetzige Rige der Republikaner könnte (eventuel außer Paul - der hat aber eh keine Chance) genausogut in der Geisterbahn auftreten.

     

    Da ist nur nur noch blanker Hass auf alle die anders sind, ein "einziger Apell an den inneren Schweinehund" wie Kurt Schumacher sagen würde.

     

    Schade auch , dass bei dem Mehrheitswahlrecht neue Parteien keine Chance haben - eine Koalitionsregierung könnte ent- ideologisieren und den USA guttun.

     

    Also Augen zu und durch, es nützt ja nix: noch mal Obama!!!

  • V
    vic

    Angesichts dieser beiden Kandidaten, ertappe ich mich dabei, Obama erneut Glück zu wünschen.

    Das alleine sagt vieles über die Situation aus.

    Amerikaner mögen keine Schwulen, lehnen Abtreibungen ab, und sind Militaristen.

    In einer solchen Umgebung hat z.B. Ron Paul keine Chance.

  • AS
    Andreas Suttor

    Der Kommentar trifft die Situation, allein: das ist doch nichts wirklich Neues. Die Zeiten der inhaltlich wertvollen Auseinandersetzungen in Präsidentschaftswahlkämpfen der USA sind wahrscheinlich schon seit den legendären Holzkistendebatten Abraham Lincolns, spätestens aber seit der massenhaften Verbreitung des Fernsehens endgültig vorbei. Damit muß man sich wohl leider abfinden.

    Die Ursachen sind vielfältig und nicht ermutigend - jedenfalls aus europäischer Sicht. In den USA gewinnt man Wahlen nicht mit Fakten, sondern mit dem Glauben - entweder dem an Gott oder an die amerikanische Stärke. Inhaltliche Debatten waren in der Vergangenheit und sind auch in der Gegenwart nicht gewünscht.

    Einzig neu ist die Quantität der Auseinandersetzung. Nachdem die Political Action Committees vor dem Obersten Gerichtshof Gnade gefunden haben, steht expansiver Wahlkampffinanzierung ja nichts mehr im Wege. Wer mehr Geld mobilisiert - gewinnt.

    Allerdings sollten wir da auch nicht auf dem europäischen sehr hohen Roß sitzen. Denn auch bei uns ist die Tendenz der Wahlkämpfenden eindeutig: weg von Inhalten, hin zu Personen und Gefühlen. Und auch die dafür einschlägigen Instrumente - publikumswirksame Überlandbusfahrten und andere PR-Veranstaltungen - stecken zwar noch in den Kinderschuhen, sind aber schon deutlich erkennbar.

    Warum das alles so ist? Das Wahlvolk und auch die Medien sind schuld. Schließlich liefern Wahlkämpfer nur das, was auch verfängt. Würden mehr Leute nach Inhalten fragen, würde man sie auch präsentieren.

  • CW
    Christian Wiese

    Sie deuten es bereits an, aber stellen es viel zu wenig klar heraus: Der Kongressabgeordnete Ron Paul unterscheidet sich WESENTLICH von den anderen drei verbliebenen Kanditaten. Nicht nur bezüglich des Militärbudgets. Seine nichtinterventionistische Aussenpolitik sowie seine Forderung die FED langfristig abzuschaffen sind hierbei nur die wesentlichsten Punkte. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.