Kommentar Volkszählung: Für ein neues Grundrecht kämpfen
Die Volkszählung von heute hat nur wenig gemein mit dem Datensammelmonstrum von vor 20 Jahren. Sie ist ein klarer Beweis für den Erfolg des Protestes gegen staatliche Neugier.
DANIEL SCHULZ ist Inlandsredakteur der taz.
Datenschutz war lange ein erledigtes Thema. Doch gerade in Zeiten der Terrorbedrohung kämpfen so viele Menschen wie lange nicht mehr für den Schutz vor maßloser Überwachung. Ihr Widerstand richtet sich aber nicht gegen die Volkszählung. Das ist angesichts der geplanten schärferen Sicherheitsgesetze, von heimlicher Festplattenspionage bis zur Speicherung von Kommunikationsdaten, auch richtig so.
Denn die Volkszählung von heute hat nur wenig mit dem Datensammelmonstrum von vor zwanzig Jahren gemein. Sie ist mit ihrem abgespeckten Fragenkatalog vielmehr ein klarer Beweis für den Erfolg des Protestes gegen staatliche Überwachungslust. Nur weil es diesen Widerstand gab, konnten die Richter in Karlsruhe 1983 ein bis dato unbekanntes Grundrecht schaffen - das auf informationelle Selbstbestimmung. Die Volksbefrager der zweiten Generation müssen sich daran halten.
Heute sieht die Bedrohung der Privatsphäre anders aus als noch in den 80er-Jahren. Sie ist weniger statisch, diffuser und umfassender. Es geht nicht mehr darum, einmal sein Glaubensbekenntnis speichern zu lassen. Sondern in der täglichen Kommunikation darauf achten zu müssen, mit wem man redet und was man erzählt. Mit der Vorratsdatenspeicherung können Polizisten herausfinden, wer wann mit wem kommuniziert. Per Online-Überwachung und anderen Maßnahmen kommen die Behörden auch an die Inhalte heran.
Wie immer wird versprochen, diese Mittel nur bei schweren Straftaten einzusetzen. Aber Innenpolitiker würden mit ihnen gern schon heute Fußballrowdys und Raubkopierer observieren lassen. Es ist stets der gleiche Ablauf: Überwachungsmethoden, die als letztes Mittel eingeführt wurden, werden zur polizeilichen Gebrauchsware. Dass auch ein richterlicher Vorbehalt davor nicht schützt, belegen Untersuchungen. Nur bürokratischer Aufwand und Kosten begrenzen das Ausufern von Überwachung. Die zweite Volksbefragung zeigt vor allem eines: dass sich der Kampf für ein neues notwendiges Grundrecht lohnt, das auf freie Kommunikation.
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