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Kommentar Volksentscheid Stuttgart 21Grüner Eiertanz zu Ostern

Die Einigung auf einen Volksentscheid über S21 kommt einem Sieg der Beton-Sozis gleich. Der Stresstest wird den Grünen nicht aus der Glaubwürdigkeitsfalle helfen.

E s hat schon seinen Grund, warum die schwäbischen Neukoalitionäre nicht auf die Trommel gehauen haben. Mit ihrem Kompromiss beim Thema Stuttgart 21 ist auf der Bühne nicht zu glänzen. Er verhindert lediglich, dass das grün-rote Experiment scheitert, bevor es begonnen hat.

Die SPD stimmt zu, weil es ihr nicht weh tut. Die Grünen beißen die Zähne zusammen, weil sie die Roten nicht ins Bett der Schwarzen springen lassen wollen. Das zeigt, wer hier gewonnen hat. Die Genossen haben ihre Volksabstimmung, die sie aus taktischen Gründen gefordert haben, und die Grünen ein Problem. Sie wissen, dass sie bei diesem Votum nur verlieren können. Aber von diesem Baum, den sie mit gepflanzt haben, können sie nun nicht mehr herabsteigen.

Josef-Otto Freudenreich

ist Chefredakteur des neugegründeten Stuttgarter Onlineportals Kontext, das am Wochenende in gedruckter Form der taz-Ausgabe für den Südwesten beiliegt.

Ihre Eiertänze spiegeln dieses Dilemma wider. Jetzt soll das Quorum runter, selbst die CDU den Steigbügel dafür hinhalten und dann geguckt werden, ob das Wahlergebnis entsprechend hingebogen werden kann. Das hätte Stefan Mappus mal machen sollen: In der Luft hätten sie ihn zerrissen und einen Antidemokraten genannt, dem die Stimme des Volkes am Stiernacken vorbeigeht.

Aus dieser Glaubwürdigkeitsfalle hoffen die Grünen nun mit dem Stresstest herauszukommen. Er soll den Beweis erbringen, dass das, was sie schon immer gesagt haben, wahr ist: Stuttgart 21 ist ein Phantom und zu teuer. Die SPD-Spitze wird sich das in aller Ruhe anschauen und darauf vertrauen, dass die Bahn die richtigen Zahlen liefert. Und die Grünen werden die Roten bitten, ihren Glauben an die Bahn fahren zu lassen.

Sie vergessen nur, dass sie es mit sozialdemokratischen Hardlinern zu tun haben, die ihr "Jahrhundertprojekt" wollten und wollen. Zusammen mit der CDU, der FDP, den einschlägigen Kreisen der Baden-Württemberg AG und gegen den Willen der Hälfte ihrer Basis. Mit Wattestäbchen sind diese Bretter nicht zu bohren.

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12 Kommentare

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  • B
    Bitbändiger

    @rheinelbe:

     

    ...die Karawane zieht weiter.

  • R
    rheinelbe

    GRÜNE KNEIFER

     

    Die Grünen sind so lange durch sämtliche Institutionen marschiert, bis sie selbst zur Institution geworden sind. So ist es auch bei S 21 - natürlich! Bezeichnend dafür ist Özdemirs Äusserung, nun könne man ja gut mit der CDU koalieren, da sie keine Atompartei mehr sei. Deutlicher kann man es nicht aussprechen. Und im Saarland reiht sich in der schwarz-gelb-grünen Jamaika-Landesregierung munter ein Skandal an den anderen.

    Bezeichnend ist auch die autoritäre Tendenz der Grünen, mit Verboten und Bevormundung eine Massenbeglückung von Menschen erreichen zu wollen. Das ist eine gefährliche Besserwisserei.

     

    Die Grünen haben sich von der Jugend direkt ins Alter katapultiert. Sie sind großenteils eine Öko-FDP mit einigen scheinprogressiven Sprüchen. Wenns drauf ankommt (soziale Frage), wird eh gekniffen.

    Wetten, dass ...

  • H
    hamilton

    ACHTUNG

     

    ich kann mit in etwa vorstellen, was hier für kommentare geschrieben werden.

    allen, die denken, dass sie in einem undemokratischen system leben, lege ich die FEDERALIST PAPERS von 1788 sehr ans herz.

    bitte den abschnitt über direkte bzw. indirekte demokratie sehr aufmerksam lesen. diese schrift sollte zwangslektüre für jeden deutschen werden!

    direkte demokratie ist immer gefährlich und gefährdet die minderheiten (s. schweiz).

  • RJ
    Regina John

    Ob sich die SPD einen Gefallen getan hat, bezweifle ich.

    Es geht nicht um ein "Projekt". Es geht um Zerstörung, die uns empört auf die Straße treibt.

    Volksentscheid ? Wenn sich alle einig wären, würden wir diese Verdummung ins Leere laufen lassen, indem wir nicht teilnehmen.

  • B
    Bitbändiger

    "Das zeigt, wer hier gewonnen hat."?

     

    Ich glaube, lieber Josef-Otto Freudenreich, dies ist eine gewaltige Fehleinschätzung. Die SPD hat durch ihr Herum-Eiern in der S21-Frage schon schmerzhaft viele Stimmen verloren (unter anderm meine). Wobei ich ihr nicht übelnehme, dass sie die politischen Spielchen zu dem Thema nicht von Anfang an durchschaut hat - spätestens seit den entlarvenden Details der Schlichtung hätte sie aber zumindest intensiv nachdenken müssen.

     

    Kann sein, dass S21 wider jeglichen ökonomischen und ökologischen Verstand aus formaljuristischen Gründen letztlich doch gebaut werden muss. Aber die SPD wird dann die politische Kraft sein, der das Aufwachen nach der milliardenschweren Endabrechnung am heftigsten auf die Füße fällt.

  • A
    Arnold

    War doch vorauszusehen, steht alles in Juttas neuem Buch. Kapitel 5. Ich kann nur hoffen, dass es die Grünen endlich zerreißt.

  • HS
    Hans Siekmann

    Lernen für Politiker verboten?

    Da steht mal einer beinahe für seine meinung und wird vom gesamten Volk verteufelt. Dabei ist doch irren menschlich. Mensch, Herr kretschmann, gib doc einfach zu, dass Du Dich geirrt hattest mit der Volksbefragung. 1Wer hätte denn gewusst, wie die Einzelheiten dazu genau aussehen. Aber bitte fraus lernen und genau sagen, was sie wollen. Bitte!

  • B
    Basisdemokrat

    "In der Luft hätten sie ihn zerrissen und einen Antidemokraten genannt, dem die Stimme des Volkes am Stiernacken vorbeigeht." Ja, aber warum denn um alles in der Welt? Weil die Grünen das Quorum senken wollen, damit Volksentscheide künftig leichter zu einer Gesetzesänderung führen können?

     

    Das voraussichtliche Ergebnis eines Volksentscheids ist ja, dass eine Mehrheit sich gegen S21 ausspricht, aber die Abstimmungsbeteiligung so niedrig ist, dass das Quorum von einem Drittel der Stimmberechtigten verpasst wird. Ist es dann ein Ignorieren der Stimme des Volkes, wenn man sich dafür einsetzt, dass auch in diesem Fall der Bau des Tiefbahnhofs abgesagt wird?

     

    Notfalls ginge das ja auch ohne eine Änderung der Landesverfassung: nämlich indem Grün-Rot einfach zusagt, gegebenenfalls mit ihrer Mehrheit im Landtag das Ergebnis des Volksentscheids parlamentarisch umzusetzen, auch wenn dieser das Quorum nicht erreicht. Gegen eine solche Lösung verweigert haben sich nicht die Grünen, sondern die Sozialdemokraten. Es scheint, dass ausgerechnet die SPD, die als Erstes einen Volksentscheid über S21 gefordert hat, jetzt hofft, dass dieser am Quorum scheitern wird: Das ist der eigentliche "Eiertanz zu Ostern"!

  • PM
    PETER MEISEL,KÖNGEN

    Stuttgart 21

    Frau Merkel hat die Landtagswahl in Baden-Würtemberg verbindlich zur

    Volksabstimmung über dieses CDU Projekt bestimmt.

    Damit ist auch das überteuerte Bahnprojekt abgewählt!

     

    Man muss die Kanzlerin doch einmal ernst nehmen?

  • KN
    K, Neumann

    Kretschmann hofft hier, dass ihn der Stresstest aus der Patsche helfen wird. Was aber, wenn man bei den Grünen keine Ahnung um die Implikationen des korrekten Stresstestes hat?

    Das genau scheint aber nach diesem Beitrag der Fall zu sein

    http://www.parkschuetzer.de/diskussionen/argumente/themen/1326/beitraege/20661

  • AF
    Anselm Filder

    Herr Freudenreich übersieht geflissentlich mehrere Tatsachen um in dasselbe Anti-Grüne Horn stoßen zu können, das so mancher Journalist (von Rechts wie von Links) zur Zeit gerne an den Mund führt. Zunächst übersieht er, dass es keine andere Mehrheit für die Grünen gibt als mit der SPD. Die CDU will ja nicht einmal den Volksentscheid über S21. Da helfen auch keine dicken Bohrer oder Brecheisen, es sei denn man verschließt die Augen vor der Realität. Desweiteren haben Grüne und SPD bereits im Oktober 2010 einen Gesetzantrag im Landtag eingebracht, um die Hürden für ein Volksbegehren zu senken und das Quorum beim Volksentscheid abzuschaffen. An wem das gescheitert ist, dürfte bekannt sein. Dass die SPD sich jetzt so lange geziert haben, diesen Konsens wieder herzustellen -- erst Hürden abbauen, dann Volksentscheid -- ist befremdlich. Da ist manchem wohl der Bagger näher als der Bürger. Wie auch immer, die Koalition kann jetzt die Arbeit aufnehmen und als Ministerpräsident kann Kretschmann anders gegenüber der Bahn und dem Bundesverkehrsminister agieren. Es wäre das erste zweifelhafte Großprojekt, das gegen den Widerstand eines Regierungschefs durchgeboxt würde. Also mehr Vertrauen in Kretschmann, dieses Jahr wird bei S21 die Entscheidung bringen. Danach ist mehr als genug Zeit für Urteile. Jetzt ist so etwas einfach nur albern und unseriös.

  • S
    Stuttgarterin

    Abwarten. Die SPD-Führung könnte sich gründlich verkalkuliert haben, denn die Basis ist mehrheitlich gegen das Projekt und will nun einen Mitgliederentscheid auf die Wege bringen.