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Kommentar Versuchs-PrimarschulenEltern werden verunsichert

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Der Schulstreit geht wie ein Riss durch die Stadt. Will man ihn kitten, sollten die Sieger des Volksentscheids sich nicht darauf versteifen, die Schulreform mit Stumpf und Stiel auszurotten.

M it Wahlfreiheit der Eltern hatten die Primarschulgegner geworben, vor "Zwangsbeglückung" gewarnt. Und nun das: Ihr Sprecher Walter Scheuerl will rund 800 Eltern einen Zickzack zumuten. Sie sollen die Kinder erst ans Gymnasium oder an die Stadtteilschule schicken, um sie dann nach ein paar Wochen gegebenenfalls doch an eine Versuchs-Primarschule zu geben. Ob der Medienanwalt die Rechtslage hier besser durchschaut als die Juristen der Schulbehörde, ist fraglich. Sicher ist aber, dass dies Eltern verunsichert.

Dabei rufe man sich einmal folgendes in Gedächtnis. Es haben zwar rund 276.000 Hamburger gegen die Primarschule gestimmt, aber auch 218.000 dafür. Eine große Minderheit in der Stadt will in der Schulpolitik diesen neuen Weg gehen. Hinzu kommen die Stimmen der nicht abstimmungsberechtigten MigrantInnen. Der Schulstreit geht wie ein Riss durch die Stadt.

Will man diesen wieder kitten, sollten die Sieger des Volksentscheids sich nicht darauf versteifen, die Primarschulreform mit Stumpf und Stiel auszurotten, sondern diesen überschaubaren Schulversuch tolerieren. Sie haben ja gewonnen. Manchem fällt es da schwer, aufzuhören.

Sollte der Schulversuch scheitern, weil die Eltern ihn nicht annehmen, wären die Gegner ein zweites Mal bestätigt. Sollten die 23 Schulen erfolgreich sein, wären die Gewinner die Kinder.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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7 Kommentare

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  • S
    schönWetter

    "Nur", weil das Ergebnis der Abstimmung so ausgefallen ist, wie es ausgefallen ist, kann man denjenigen Schulen der 23, die Starterschulen werden wollten, doch nicht untersagen, neue Konzepte zu erproben - da muss man mal die Kirche im Dorf lassen, sonst bedeutet das absoluten Stillstand in der Schulentwicklung für die nächsten 10 Jahre, wenn sich ständig auf diese Abstimmung berufen wird - Schulversuche sind eine ganz normale und gängige Angelegenheit. Halten Sie bitte nicht engagierte Schulen von ihrer Arbeit ab, denn es gibt noch viel zu wenige von ihnen! Scheinbar haben die meisten die PISA - Ergebnisse erfolgreich verdrängt ... da kann man sich nur wundern!

  • MJ
    Martin J.

    Hallo Frau Kutter,

    interessant, dass Sie sich jetzt plötzlich für Minderheiten stark machen, während Sie sich vorher über die (angeblichen) Minderheits-Eliten, die die Primarschulen nicht wollten, lässig hinweggesetzt haben.

     

    Bei den Starterschulen geht es nicht nur um die Kinder, die nach den Sommerferien in Klasse 5 kommen und deren Eltern jetzt wirklich vor einer blöden Situation stehen. Der Schulversuch soll ja laut Auskunft der Behörde erst dann angemeldet werden, wenn diese Kinder die 6. Klasse abgeschlossen haben.

    Es geht darum, dass die Senatorin eben das, was sie in den Verhandlungen mit WWL vehement abgelehnt hat (und was diesen fürchterlichen Schulkrieg verhindert hätte) jetzt plötzlich doch machen will.

     

    Der Senat WOLLTE eine klare Entscheidung OHNE Ausnahmeregelung. Wäre der Volksentscheid verloren gegangen, hätte dies das Aus für viele erfolgreich arbeitende Schulen bedeutet.

     

    JETZT ist diese klare Entscheidung da. Und dann soll der Senat sich auch daran halten und jetzt nicht plötzlich Ausnahmeregelungen beanspruchen, die den Gegnern der Primarschule NICHT zugestanden worden sind und auch nach einem verlorenen Volksentscheid NIE zugestanden worden wären.

  • K
    klap

    Zur Erinnerung:

    Es war der Senat, der während der Verhandlungen im Frühjahr einen überprüfbaren Schulversuch abgelehnt hat.

    Stattdessen hat man im Hauruckverfahren versucht die Starterschulen ins laufen zu bringen.

     

    Komisch, daß nun auf einmal der Schulversuch möglich sein soll, der vorher abgelehnt wurde.

     

    Die BSB hat ein Eltern und Kinder der Starterschulen für Ihre Zwecke benutzt. Jetzt sind diese die ersten, die das Vorgehen der BSB ausbaden dürfen.

     

    Fraglich ist ist allerdings wieviele Starterschulen jetzt tatsächlich an den Start gehen könnten. Schon jetzt sind bei den 23 Starterschulen 1 zügige Schulen mit Klassengrößen unter dem jeweiligen Kess Standard dabei. Analog ist dies der Fall bei zweizügigen Schulen.

     

    Was soll denn die Aussagekraft eines Schulversuches mit 15 Schülern pro Klasse im Vergleich mit bis zu max. 30 an Stadtteilschulen und Gymnasien?

     

     

    Wenn jetzt die Eltern abspringen, dann erledigt sich das Thema von ohnehin von alleine.

     

    Allerdings muß die BSB die Möglichkeit zum Wechsel auf eine andere Schule jetzt auch möglich machen. Wenn Sie diesen jetzt verweigert mit der Begründung es wäre kein Platz vorhanden werden die Kinder in die Starterschulen gezwungen.

  • K
    kern

    Wie kommt Frau Kutter auf die Idee, die Hamburger Familien mit Migrationshintergrund stünden auf der Seite der Minderheit der Reformbefürworter, und man brauche sie einfach nur dazuzuzählen? Wenn ich mich mit Menschen mit Migrationshintergrund unterhalten habe im letzten Jahr, die ihre Kinder in Hamburger Schulen haben, sind die immer die meisten gegen die Primarschule gewesen, gerade in den Stadtteilen, für die die Reform ja gemacht werden sollte.

    Oder werfen wir einen Blick auf die Veranstaltung auf dem Rathausmarkt, die symbolisieren sollte, wieviele Migranten für die Schulreform wären: ein kleines Häufchen Menschen, verloren auf dem grossen Rathausmarkt, der grösste Witz dabei: soviele Migranten habe ich während des Wahlkampfs in vielen verschiedenen Stadtteilen Hamburgs an einem Tag auf der Strasse gesprochen (z.B. Eimsbüttel, Mümmelmannsberg, Eidelstedt die Taxifahrer in Hamburg oder Wilhelmsburg !). Und auch wenn Frau Kutter es nicht glauben mag: Die Migranten sind mindestens genauso interessiert am Erhalt der Gymnasien ab Klasse 5 wie die Eltern mit deutschem Pass und sind nicht so unzufrieden mit dem Hamburger Schulsystem, wie ihnen immer unterstellt wird.

  • DN
    Dr. Nicola Byok

    Wenn der Volksentscheid anders ausgegangen wäre, hätte es keine 23 Grundschulen gegeben, die nach herkömmlichem Muster hätten weiterarbeiten können. Statt dessen wäre die Primarschule flächendeckend eingeführt worden und Frau Kutter hätte bestimmt nicht gefordert, Ausnahmen zuzulassen. Den Versuch des Johanneums, im Rahmen eines Schulversuchs weiter ab Klasse 5 zu existieren, hatte die Behörde schon vorsorglich im letzten Jahr abgelehnt. Den Primarschulen aber wird jede Unterstützung durch die Behörde zugesichert. Wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird, ist schon bemerkenswert.

     

    Außerdem: Im Frühjahr hatte Frau Goetsch noch hochmütig das von der Volksinitiative vorgeschlagene Nebeneinander von Grund- und Primarschulen zurückgewiesen und argumentiert, das sei organisatorisch nicht machbar. Jetzt aber, wo sie den Volksentscheid verloren hat, geht es ? Das ist schlicht undemokratisch. Frau Goetsch sollte endlich ihren Hut nehmen, sie hat in einer demokratisch gewählten Regierung nichts verloren.

  • H
    HamburgerX

    Der Senat wollte keinen Primarschul-Versuch. Das wurde ausdrücklich abgelehnt. Dann bitte aber ist das Ergebnis das Volksentscheids voll und ganz zu akzeptieren.

     

    Es hätte auch niemand Verständnis gehabt, wenn bei einem Erfolg der Reformbefürworter plötzlich 10% der Schüler trotzdem auf 4jährige Grundschulen gegangen wären.

  • A
    andpra

    Laut Volksentscheid sind die Primarschulen abgelehnt. Der Versuch der Behörde, diese nun über die Hintertür einzuführen ist mehr als durchsichtig, sogenannte Starterschulen gibt es laut Schulgesetz nicht. Wenn die Behörde klug gewesen wäre, wäre sie im Februar auf das Angebot der Initiative eingegangen, die vorgeschlagen hatte, 50 Primarschulen einzuführen und eingehend zu evaluieren. Damals wurde dieses von Fr. Goetsch mit der Begründung abgelehnt, das zwei parallele Systeme nebeneinander nicht organisierbar und machbar wären. Und auf einmal soll es gehen, ein Schelm, wer Arges dabei denkt.