Kommentar Verhaftungen in Köln: Generalverdacht nutzt gar nichts
Wenn es darum geht, Anschläge gegen Menschenmengen zu verhindern, ist die präventive Überwachung der gewaltbereiten Szenen der einzig sinnvolle Weg.
Christian Rath ist Korrespondent für Rechtsfragen bei der taz.
Der Verdacht reichte zumindest für einen Haftbefehl. Die beiden aus Somalia stammenden Islamisten, die am Freitag am Köln-Bonner Flughafen festgenommen wurden, müssen also im Gefängnis bleiben. Doch was hatten sie geplant? Standen die beiden bereits kurz vor einem verheerenden Selbstmordanschlag? Oder waren es Terrornovizen, die im Ausbildungslager erst die Grundregeln des Bombenbaus lernen wollten? Noch sind die Informationen der Ermittler äußerst vage.
Der Haftbefehl stützt sich auf den Vorwurf, die beiden hätten ein Verbrechen verabredet. Das ist keine neue Antiterrorvorschrift, sondern in Deutschland schon seit 1876 strafbar. Angesichts der Verhaftung verwundert allerdings die Vehemenz, mit der CDU-Politiker wie Wolfgang Bosbach nun neue Strafvorschriften für den Besuch von Terrorausbildungslagern fordern. Sind die beiden Islamisten nicht gerade verhaftet worden? Strafbarkeitslücken sehen anders aus.
Auch die staatliche Überwachung scheint in diesem Milieu recht feinmaschig zu sein. Immerhin konnten die Ermittler Abschiedsbriefe von vermeintlichen Terroristen bereits lesen, bevor diese überhaupt ein Verbrechen begangen haben. Das soll hier auch gar nicht kritisiert werden. Wenn es darum geht, Anschläge gegen Menschenmengen zu verhindern, ist die präventive Überwachung der gewaltbereiten Szenen der einzig sinnvolle Weg.
Wirklich beunruhigend an den Nachrichten der letzten Tage ist ein anderer Vorfall in Köln. Dort täuschten drei türkische Minderjährige einen Notfall vor; sie wollten Polizisten töten und ihre Dienstwaffen erbeuten. Auch hier sollen Ideen vom heiligen Krieg den Hintergrund gebildet haben.
Wenn die Radikalisierung aber bereits so früh und so überraschend einsetzt, dann kann auch polizeiliche Prävention nicht mehr helfen. Sie würde sonst in einen kontraproduktiven Generalverdacht münden. Hoffen wir, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt und er nicht Vorbote eines neuen Trends unter türkischstämmigen Jugendlichen ist. Zum Glück wird der Vorfall bisher auch von der Politik nicht zu Dramatisierungen genutzt.
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