Kommentar Verfassungsschutz in Schulen: Gegengift statt Prävention
Den Einsatz der Abteilung Horch und Guck beim Zurückgewinnen verlorener Schäfchen für die Demokratie kann man kurios finden. Dramatisch ist dagegen Schünemanns eindimensionales Verständnis von politischer Bildung, Extremismus ließe sich quasi durch Injektion eines demokratischen Gegengiftes bei Gefährdeten bekämpfen.
B isher ist der Verfassungsschutz mit mehr oder weniger unsittlichen finanziellen Angeboten an die Bürger herangetreten. Jetzt hat er also auch politische Bildung im Portfolio. Die Geheimdienstler werden sich eine neue Ansprache ausdenken müssen: Keine diskreten Treffen im Zwielicht mehr, sondern eher Open House bei Kaffee und Kuchen.
Kann das funktionieren? Die neuen Angebote zur Abwehr von Extremismus richten sich ja an Menschen an den Rändern des demokratischen Spektrums, normalerweise Objekt der Beobachtung. Ihr Vertrauen in die Behörde ist entsprechend schwach. Da kann man schon mal die Frage nach Bock und Gärtner stellen, nicht nur wegen der Geschichte vom Celler Loch bis zu agents provocateurs in der NPD, in der sich die Geheimdienstler nicht immer als Musterdemokraten erwiesen haben.
Den Einsatz der Abteilung Horch und Guck beim Zurückgewinnen verlorener Schäfchen für die Demokratie kann man kurios finden. Dramatisch ist dagegen Schünemanns eindimensionales Verständnis von politischer Bildung, Extremismus ließe sich quasi durch Injektion eines demokratischen Gegengiftes bei Gefährdeten bekämpfen. Erfolgreiche politische Bildung wirkt präventiv - indem sie demokratische Errungenschaften erfahrbar macht. Dafür braucht es viel Geld, langen Atem und spezialisierte Pädagogen - in Niedersachsen alles gestrichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“