Kommentar Verfasssungsschutz: Gepflegte Feindbilder
Offenbar braucht der Bremer Verfassungsschutz unbedingt eine extremistische Bedrohung. Egal, ob es eine gibt oder nicht.
E s gibt viele gute Bücher über den Islam und die Probleme von Muslimen in einer ihnen fremden Kultur, dafür braucht man den Verfassungsschutzbericht eigentlich nicht. Wenn man das abzieht, was allgemein bekannt und eigentlich selbstverständlich ist – etwa dass in Moscheen Freitagsgebete angeboten werden – dann sind die Erkenntnisse, die der Verfassungsschutzbericht über „islamistische“ Bestrebungen in Bremen zusammenträgt, bescheiden.
Das ist seit Jahren so und lässt nur den Schluss zu, dass da auch nicht viel ist. Mit dem Verein Milli Görüs, der gegen einen Bremer Senator vor Jahren erfolgreich wegen Verleumdung prozessierte, plaudert man inzwischen.
Bleibt das Feindbild der Salafisten. Sie sind sozusagen die „Zeugen Jehovas“ der Muslime, sie werden von Saudi Arabien aus für terroristische Aktionen instrumentalisiert. Es gibt keine Hinweise, dass die Bremer Salafisten mehr tun als beten und predigen. Auch Murat Kurnaz betete einst in einer Moschee, was ihm zum Verhängnis wurde – weil der Verfassungsschutz zwischen absonderlichen religiösen Überzeugungen und religiös motiviertem Terrorismus nicht unterscheiden kann.
Dies setzt sich beim Islamischen Kultur-Zentrum (IKZ) am Breitenweg fort. Vor einem Jahr wurden da alle Unterlagen beschlagnahmt – kein konkreter Vorwurf hat sich daraus ergeben. Wenn am Breitenweg wirklich nur gebetet wird – wäre es nicht Zeit, den diskriminierenden Generalverdacht zurückzunehmen und das Gespräch zu suchen? Oder braucht der Verfassungsschutz die extremistische Bedrohung als Feindbild?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“